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Seite:HansBrassTagebuch 1946-02-03 001.jpg

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Sonntag, 3. Februar 1946.     

     Nachmittags bei Koch-Gotha. Ueberaus morastiger Weg, der besonders auf dem Rückwege schlimm war, da es inzwischen dunkel geworden war u. zu regnen angefangen hatte.

     Das Haus liegt am Bodden unmittelbar hinter dem Deich, von dem es nur durch einen schmalen Weg getrennt ist. Koch-Gothas Arbeitszimmer liegt rechts vom Hauseingang u. hat ein Fenster nach Osten zum Deich, der den Blick auf den Bodden versperrt, u. zwei Fenster nach Süden. Das Zimmer ist nur klein, aber wohl das größte in dem kleinen ehemaligen Fischerkaten, der so tief liegt, daß er eben noch mit knapper Not über dem Spiegel der jetzt überschwemmten Wiesen liegt. Außerdem ist das Zimmer sehr voll. Eine sehr große Zeichenplatte nimmt den Hauptplatz ein. Sodann steht ein sehr hübsch bemalter, alter Bauernschrank dort, sowie Regale, kleinere Behälter, Stühle u. eine Staffelei. Es bleibt nicht viel Raum, um sich zu bewegen.

     Koch-Gotha zeigte bereitwilligst seine zahlreichen Zeichnungen, die den Rest eines großen Reichtums bilden, der in Berlin verbrannt ist. Er hat dort sehr viel verloren, denn er besaß dort ein großes Bilderarchiv, das er für seine Illustrationen sehr brauchte. Er zeigte einige frühe Zeichnungen aus dem Jahre 1896, dem Jahre, als ich ins Kadettencorps kam u. ich 10 Jahre alt war. Schon damals waren es Zeichnungen von Soldaten im Manöver, noch ungeschickt, aber doch schon seine spätere Art erkennen lassend. Er zeigte alles, was er hatte, wobei sehr schöne Sachen waren, vor allem eine Scene aus einem Berliner Karneval. Die Zeichnung zeigt die Brüstung einer Loge, in der ganz am Rande rechts u. links ein Herr u. eine Dame sitzen, bereits reichlich betrunken, albern kostümiert, blöde u. bösartig, entsetzlich gelangweilt. Auf dem Tisch zwischen den beiden steht eine Batterie von Sektflaschen, zwei oder drei Luftballons schweben darüber u. dahinter im Hintergrunde zwei betrunkene ältere Herren, wohl die Väter, die eifrig über das Geschäft sprechen. Dieses Blatt ist von sehr großer Schönheit.

     Ferner gefielen mir Blätter aus Paris, französische Kürassiere in ihren weißen Mänteln, die aus der nächtlichen Dunkelheit herangeritten kommen an ein nicht sichtbares Lagerfeuer, u. wieder im Dunklen verschwinden. Solche nächtliche Bilder waren mehrere da, überaus eindrucksvoll. Daneben auch Landschaften hier aus der Gegend, auch aus Polen vom 1. Weltkriege her, u. einzelne überaus zarte u. feine Pflanzen-Zeichnungen, in Aquarellfarben. Es war recht interessant. Sehr hat mir imponiert, wie all diese Zeichnungen in tadellosen Passepartouts waren, sehr sauber mit schwarzen Strichen eingerahmt, zuweilen auch mit schmalen Streifen von Gold-oder Silberpapier. Ich müßte das gelegentlich mit meinen Zeichnungen auch so machen.

     Koch-Gotha erzählte, daß in diesen Tagen der Kommandant von Ribnitz im Auto bei Prof. Marks vorgefahren sei u. ihm ein Atelier in Ribnitz angeboten habe. Marks habe gesagt, er wolle lieber in Althagen wohnen bleiben, da sonst sein Haus beschlagnahmt werden würde für Flüchtlinge. Darauf habe der Kommandant gesagt, Marks könne doch seine Schwester aus Lübeck kommen lassen u. in das Haus setzen. Der Kommandant

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Hans Brass: TBHB 1946-02-03. , 1946, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-02-03_001.jpg&oldid=- (Version vom 13.11.2024)