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TBHB 1946-02-03

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1946-02-03
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Entstehungsdatum: 1946
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Originaltitel: Sonntag, 3. Februar 1946.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 3. Februar 1946
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Einführung

Der Artikel TBHB 1946-02-03 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 3. Februar 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonntag, 3. Februar 1946.     

[1]      Nachmittags bei Koch-Gotha. Ueberaus morastiger Weg, der besonders auf dem Rückwege schlimm war, da es inzwischen dunkel geworden war u. zu regnen angefangen hatte.

     Das Haus liegt am Bodden unmittelbar hinter dem Deich, von dem es nur durch einen schmalen Weg getrennt ist. Koch-Gothas Arbeitszimmer liegt rechts vom Hauseingang u. hat ein Fenster nach Osten zum Deich, der den Blick auf den Bodden versperrt, u. zwei Fenster nach Süden. Das Zimmer ist nur klein, aber wohl das größte in dem kleinen ehemaligen Fischerkaten, der so tief liegt, daß er eben noch mit knapper Not über dem Spiegel der jetzt überschwemmten Wiesen liegt. Außerdem ist das Zimmer sehr voll. Eine sehr große Zeichenplatte nimmt den Hauptplatz ein. Sodann steht ein sehr hübsch bemalter, alter Bauernschrank dort, sowie Regale, kleinere Behälter, Stühle u. eine Staffelei. Es bleibt nicht viel Raum, um sich zu bewegen.

     Koch-Gotha zeigte bereitwilligst seine zahlreichen Zeichnungen, die den Rest eines großen Reichtums bilden, der in Berlin verbrannt ist. Er hat dort sehr viel verloren, denn er besaß dort ein großes Bilderarchiv, das er für seine Illustrationen sehr brauchte. Er zeigte einige frühe Zeichnungen aus dem Jahre 1896, dem Jahre, als ich ins Kadettencorps kam u. ich 10 Jahre alt war. Schon damals waren es Zeichnungen von Soldaten im Manöver, noch ungeschickt, aber doch schon seine spätere Art erkennen lassend. Er zeigte alles, was er hatte, wobei sehr schöne Sachen waren, vor allem eine Scene aus einem Berliner Karneval. Die Zeichnung zeigt die Brüstung einer Loge, in der ganz am Rande rechts u. links ein Herr u. eine Dame sitzen, bereits reichlich betrunken, albern kostümiert, blöde u. bösartig, entsetzlich gelangweilt. Auf dem Tisch zwischen den beiden steht eine Batterie von Sektflaschen, zwei oder drei Luftballons schweben darüber u. dahinter im Hintergrunde zwei betrunkene ältere Herren, wohl die Väter, die eifrig über das Geschäft sprechen. Dieses Blatt ist von sehr großer Schönheit.

     Ferner gefielen mir Blätter aus Paris, französische Kürassiere in ihren weißen Mänteln, die aus der nächtlichen Dunkelheit herangeritten kommen an ein nicht sichtbares Lagerfeuer, u. wieder im Dunklen verschwinden. Solche nächtliche Bilder waren mehrere da, überaus eindrucksvoll. Daneben auch Landschaften hier aus der Gegend, auch aus Polen vom 1. Weltkriege her, u. einzelne überaus zarte u. feine Pflanzen-Zeichnungen, in Aquarellfarben. Es war recht interessant. Sehr hat mir imponiert, wie all diese Zeichnungen in tadellosen Passepartouts waren, sehr sauber mit schwarzen Strichen eingerahmt, zuweilen auch mit schmalen Streifen von Gold-oder Silberpapier. Ich müßte das gelegentlich mit meinen Zeichnungen auch so machen.

     Koch-Gotha erzählte, daß in diesen Tagen der Kommandant von Ribnitz im Auto bei Prof. Marks vorgefahren sei u. ihm ein Atelier in Ribnitz angeboten habe. Marks habe gesagt, er wolle lieber in Althagen wohnen bleiben, da sonst sein Haus beschlagnahmt werden würde für Flüchtlinge. Darauf habe der Kommandant gesagt, Marks könne doch seine Schwester aus Lübeck kommen lassen u. in das Haus setzen. Der Kommandant [2] habe Marks dann noch eine große Wurst u. a. Lebensmittel geschenkt. – Wie kommt der Kommandant dazu? u. woher weiß er, daß Marks eine Schwester in Lübeck hat? Es handelt sich offensichtlich darum, daß Marks einen Ruf nach Hamburg erhalten hat u. die Russen wollen nun verhindern, daß er dorthin geht, teils, weil sie nicht wollen, daß ein namhafter Künstler aus ihrer Zone fortgeht zu den Engländern. Sie sind sehr eitel u. fürchten, daß sie in den Ruf der Kulturlosigkeit kommen, wenn namhafte Künstler abwandern, aber bis dahin haben sie sich um Marks nicht gekümmert u. garnichts von ihm gewußt. Teils fürchten sie wohl auch, daß Leute wie Marks bei den Engländern erzählen könnten, wie es hier in der russ. Zone wirklich aussieht.

     Nachdem wir die Zeichnungen gesehen hatten, tranken wir Tee, u. zwar sehr guten, in einem anderen Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses. Es ist alles sehr eng, aber sehr wohnlich. Die Tochter machte die Wirtin. Frau Koch war etwas unglücklich, daß nun keine Zeit mehr war, auch noch ihre Bilder zu zeigen.

     Vormittags schrieb ich an Fritz. –

     Von der Gemeinde habe ich nun doch noch eine Arbeiter-Lebensmittelkarte bekommen.

     Dr. Krappmann sandte mir eine kleine Schrift, die als Heimatgruß an die Deutschen Kriegsgefangenen als Weihnachtsgabe der Kirche versandt worden ist mit einem Geleitwort von Bischof Dr. Wilhelm Berning von Osnabrück u. Beiträgen von Guardini, Bergengrün, Herm. Hesse u. anderen.