habe Marks dann noch eine große Wurst u. a. Lebensmittel geschenkt. – Wie kommt der Kommandant dazu? u. woher weiß er, daß Marks eine Schwester in Lübeck hat? Es handelt sich offensichtlich darum, daß Marks einen Ruf nach Hamburg erhalten hat u. die Russen wollen nun verhindern, daß er dorthin geht, teils, weil sie nicht wollen, daß ein namhafter Künstler aus ihrer Zone fortgeht zu den Engländern. Sie sind sehr eitel u. fürchten, daß sie in den Ruf der Kulturlosigkeit kommen, wenn namhafte Künstler abwandern, aber bis dahin haben sie sich um Marks nicht gekümmert u. garnichts von ihm gewußt. Teils fürchten sie wohl auch, daß Leute wie Marks bei den Engländern erzählen könnten, wie es hier in der russ. Zone wirklich aussieht.
Nachdem wir die Zeichnungen gesehen hatten, tranken wir Tee, u. zwar sehr guten, in einem anderen Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses. Es ist alles sehr eng, aber sehr wohnlich. Die Tochter machte die Wirtin. Frau Koch war etwas unglücklich, daß nun keine Zeit mehr war, auch noch ihre Bilder zu zeigen.
Vormittags schrieb ich an Fritz. –
Von der Gemeinde habe ich nun doch noch eine Arbeiter-Lebensmittelkarte bekommen.
Dr. Krappmann sandte mir eine kleine Schrift, die als Heimatgruß an die Deutschen Kriegsgefangenen als Weihnachtsgabe der Kirche versandt worden ist mit einem Geleitwort von Bischof Dr. Wilhelm Berning von Osnabrück u. Beiträgen von Guardini, Bergengrün, Herm. Hesse u. anderen.
Am Bild gearbeitet. Sehr schwer. Die Tiere im Hintergrunde, besonders der Ochse, wollen nicht im Dunklen verschwinden. Maria u. Joseph sind ebenfalls schwer in den Raum hinein zu bringen, ich muß wohl morgen erst mal die Krippe so weit fertig machen, daß die dahinter stehenden Figuren ihre richtigen, räumlichen Werte bekommen. Wie hat nur Rembrandt solche Sachen gemacht! – Außerdem bin ich seit einigen Tagen erkältet, nicht schlimm, aber genug, um meine Kraft zu lähmen.
Heute zwei Briefe von Fritz, Nr. 11 u. dann der Nr. 7, der bisher überfällig war u. von der amerikan. Zensur geöffnet worden ist. Dieser enthält jene Sylvester-Affaire, die darin bestand, daß die Wachmannschaften sich betrunken hatten u. in ihrer Besoffenheit Ausschreitungen an den Gefangenen verübt haben.
Der andere Brief Nr. 11. ist an mich persönlich gerichtet u. enthält ein ganz rührendes Bekenntnis zu mir. Er ist geschrieben aus einer ganz spontanen Stimmung heraus u. so echt u. herzlich, daß ich ihn nur mit tiefster Bewegung lesen konnte. Dieser Brief ist eine Rechtfertigung für mich, die mich teils beschämt, teils aber mit ganz großer Freude erfüllt, beweist er doch, daß meine wirkliche Tochter im Unrecht mir gegenüber ist. Gott möge ihr verzeihen, wie auch ich ihr verzeihe, denn sie ist ja in erster Linie das unglückliche Opfer ihrer Mutter; aber Fritz ist nun in meinem Herzen so, wie ich gern im Herzen meines eigenen Vaters gewesen wäre. Durch diese Liebe von Fritz zu mir wird sehr viel geschehenes Unrecht wieder gut gemacht. Gott sei Dank!
Hans Brass: TBHB 1946-02-03. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-02-04_001.jpg&oldid=- (Version vom 13.11.2024)