u. Mäntel der Frau Kahl, die verreist ist, sind gestohlen, darunter ein sehr wertvoller Pelz. Die Frau K. wird ja ein furchtbares Geschrei erheben, wenn sie wiederkommt, denn sie ist schrecklich geizig u. besitzgierig. Sie ist nach Berlin gefahren, um nach ihren Sachen zu fahnden, die ihr aus ihrem dortigen Hause von einer ungetreuen Mieterin gestohlen worden sind. Während sie dort auf der Jagd nach ihrem Eigentum ist, wird ihr hier alles gestohlen. Diese Frau ist eine sehr heuchlerische Katholikin, die zuweilen in unsere Andacht kommt u. nachher gefühlvolle, fromme Sprüche macht; aber sie ist einmal geschieden von einem Mann, den sie des Geldes wegen geheiratet hatte u. der sich nachher, wie sie sagt, „als krasser Materialist“ erwiesen habe. Natürlich, woher sollte er denn sonst das viele Geld hergehabt haben. Herr Kahl, mit dem sie jetzt verheiratet ist, ist Protestant u. ein nicht geringerer Materialist, der vielleicht nicht so viel Vermögen besaß wie jener erste, aber sehr viel verdiente. Damit wird es nun auch vorbei sein. – Gottes Wege! –
Gestern Abend fand die übliche Winter-Einladung zu Neumanns statt. Es gab gebackene Leber mit Kartoffelsalat, nachher eine vorzügliche Apfelspeise, alles in den gewohnten Massen. Neumanns sind eifrig beim Herrichten dessen, was noch übrig geblieben ist vom Kurhause u. hoffen auf den sommerlichen Besuch von einigen ihrer treuesten Gäste. Falls sich die Verhältnisse bis dahin etwas ändern, mag diese Hoffnung sich erfüllen, aber so lange die Russen hier sind, kann ich es mir nicht vorstellen.
Gestern wurde nun auch die „Weihnachtskrippe“ fertig. Es ist ein schönes Bild geworden. Ich habe 10 Tage daran gearbeitet.
Heute vor einem Jahr starb der alte Neumann. Frau N. machte gestern einen recht ernsten Eindruck, nicht bloß, weil sie schwarz angezogen war.
Zur Feier der Vollendung des Krippenbildes tranken wir gestern Nachmittag eine Tasse Bohnenkaffee, was auch für den abgesehen vom Essen stets etwas langweiligen Abend bei Neumanns von Nutzen war.
Von Schwester Oberin van Beck bekamen wir kürzlich eine Karte, nach welcher Dr. Tetzlaff immer noch in Badenweiler sein soll. Ich schrieb heute kurz an ihn.
Von Fritz Brf. Nr. 12 vom 26. Januar. Er gedenkt des 29. Jan. u. daß es da 25 Jahre her sind, daß Martha u. ich uns kennen lernten. Er schreibt wieder überaus nett. Es finden wieder Bibelstunden statt, an denen er teilnimmt u. es wird die Apostelgeschichte u. das Lukas-Evang. gelesen. Sehr schön! – Das Lager hat wieder neue Gefangene erhalten u. an Entlassung ist nicht zu denken. Fritz ist jetzt als Dolmetscher im franz. Baubüro des Stabes beschäftigt u. es geht ihm dort gut, er braucht nicht mehr Kartoffeln zu schälen u. er vervollkommnet seine französ. Sprachkenntnisse. Leider klagt er immer noch über Kopfschmerzen als Folge des Unfalls.
Nachmittags kamen wieder Marthas Mitarbeiterinnen, um das fertige Bild zu sehen. Ich sprach wieder kurz über Kunst im allgemeinen u. führte aus, daß Kunst Ausdruck heiliger Gedanken u. Empfindungen sein müsse; man habe die Kunst aber dieses ihres Wesens entkleidet u. sie profaniert. Damit habe die Verweltlichung alles Denkens u. Tuns begonnen u. wir befinden uns heute im tiefsten Abgrunde dieses Hinabstieges. Ich sagte, daß der Untergang unvermeidlich sein würde, wenn dieser Profanation des Denkens nicht Einhalt geboten würde. Da die Kunst diesen Abstieg begonnen habe, müsse sie
Hans Brass: TBHB 1946-02-07. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-02-09_001.jpg&oldid=- (Version vom 13.11.2024)