auch als erste den Rückweg antreten u. wieder sakral werden. Nur eine neue sakrale Kunst, die aber nun keine Wiederholung des einmal gewesenen Heiligenbildes sein dürfe, kann uns vor der grauenvollen Lebensangst retten, von der alle Menschen befallen sind. Die neue sakrale Kunst braucht nicht in der Darstellung religiöser Dinge zu bestehen, ihre Aufgabe wird vielmehr sein, profane Dinge durch eine edle Geistigkeit zu heiligen.
Sehr schöner Sonntag ohne besondere Ereignisse. Gut besuchte Morgenandacht mit Ansprache, die allen zu Herzen ging. Nachher an Fritz geschrieben. Nachmittags war bis 6 Uhr Licht, sodaß wir nach dem Kaffee den Tagesspiegel lesen konnte, von dem wir 2 Exemplare geliehen bekommen hatten vom 26. u. 24. Januar. Bemerkenswert ist eine ziemlich scharfe Auseinandersetzung zwischen England u. Rußland. Letzteres hat eine Stunde vor Beginn der Beratung des Sicherheits-Ausschusses dagegen protestiert, daß seine Differenz mit Persien vor diesem Ausschuß beraten würde, darauf ziemlich scharfe Entgegnung Englands. Bisher sind tatsächlich alle Differenzen, die in den Beratungen der Uno bis jetzt aufgetreten sind, von Rußland ausgegangen u. es scheint so, als fände die große Geduld, die England u. Amerika diesen Quertreibereien bisher entgegengesetzt hat, allmählich ihre Grenze. – Ferner hat der engl. Außenminister auf die gefährliche Entwicklung in Polen hingewiesen, wo in den letzten Wochen eine Flut politischer Morde sich ergossen hat. Der Engländer mahnte, daß es nun nötig sei, dort demokratische Wahlen auszuschreiben, um diesen Zuständen ein Ende zu setzen. Darauf empörte Widerrede des polnischen Außenministers von Warschau aus, sowie ebensolche Widerreden der Kommunisten, die mit der gegenwärtigen Regierung zusammenarbeiten. Dabei erfuhr man, daß in den letzten Wochen 1500 polnische Polizisten, 900 Kommunisten u. 200 andere Menschen den Tod gefunden haben sollen durch „faschistische“ polnische Offiziere. Das sieht schon beinahe nach Bürgerkrieg aus, jedenfalls sieht man klar, daß sehr starke Volksteile in Opposition zur Regierung stehen u. nichts von Rußland wissen wollen.
Abends kam Frl. v. Tigerström aus Wustrow von Schönherrs u. erzählte, daß drüben über dem Bodden auch jetzt immer noch gewaltsame Plünderungen der Landbevölkerung durch russ. Soldaten an der Tagesordnung sein sollen.
Heute den Christus-König angelegt, sehr monumental. Nachmittags Unterweisung an Herrn Schwertfeger, Frl. v. Tigerström, Frl. Müller u. die Tochter Stricker, die alle sich in künstlerischer Produktion versuchen wollen. Herr Schwertfeger hat mit dem Taschenmesser einen Holzschnitt gemacht, der zweifellos Begabung zeigt. Die Tochter Stricker hat ein sehr hübsches Märchen geschrieben „Die Darssmuhme“ u. Frl. v. T. hat nette Zeichnungen dazu gemacht. Frl. Müller macht recht beachtliche Puppen.
Ich habe mir mein Buch „Wehe uns Gottlosen“ wieder vorgenommen, um Korrekturen vorzunehmen. Man kann nun ja daran denken, dieses Buch herauszugeben.
Hans Brass: TBHB 1946-02-09. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-02-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 13.11.2024)