Leute gäbe. Wir hier laufen Gefahr, alle Russen nach dem Niveau unserer drittklassigen Infanteristen zu beurteilen, die unsere Besatzung hier sind.
Frau S. brachte uns auch eine Neuigkeit, die uns persönlich angeht. Sie erzählte, daß Fritzens ehemalige Frau Margret sich mit einem französischen Offizier verheiratet habe u. gegenwärtig in Tunis sei, was bei mir sofort das Wortspiel von einem „Tunis=Gut“ auslöste. So hat Margret also den Weg zu einem richtigen Abenteurerleben gefunden.
Was aber die Lage Deutschlands zwischen West u. Ost betrifft, so fängt, je länger je mehr, für mich der Begriff „Europa“ an, zweifelhaft zu werden. „Europa“, – das ist höchstens noch der Erdteil bis zur Elbe u. Deutschland ist höchstens noch die Brücke zwischen Ost u. West. Aber kann man auch im Westen noch von „Europa“ sprechen in dem Sinne, wie man es früher tat? Welches ist die für Europa charakteristische Idee? – eine Idee, welche an Stelle der alten Idee der abendländischen Christenheit treten könnte? Die christliche Idee, die einst das Charakteristikum für Europa war, ist längst nicht mehr rein europäisch. Die Neuernennung von Kardinälen hat das stark beleuchtet, besonders durch die Ernennung eines Chinesen.
Hans Brass: TBHB 1946-03-10. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-03-07_002.jpg&oldid=- (Version vom 15.11.2024)