Nach der Andacht öffneten Martha u. ich die eingegangene Post, eine Unmenge von Päckchen von Fritz u. Ruth, die wie durch ein Wunder grade heute eintrafen, darunter auch einige Cigarillos, die mich besonders erfreuten. Wir hatten dann ein ausgezeichnetes u. reichliches Mittagessen. Zum Nachmittags-Kaffee aßen wir viel von dem Dade'schen Kuchen, sodass wir Abends noch satt waren u. uns das Abendessen schenkten. So war es ein schöner, stiller, von innerer Freude u. Dankbarkeit erfüllter Ostertag, der auch den Leib nicht zu kurz kommen ließ.
Unter der Post war auch ein Brief unseres ehemaligen Frl. Reidemeister, jetzt verheiratet mit dem Bildhauer Theunert. Es scheint, daß diese Ehe nicht mehr gut geht, jedenfalls fragt sie an, ob sie für den Sommer hierher kommen könnte. Ich würde das in mehrfacher Hinsicht begrüßen.
Ich empfand heute sehr, daß ich durch die Güte Gottes vorerst dem Leben noch geschenkt bin u. bin voll Dankbarkeit.
Dank sei Gott, – Alleluja, – Alleluja!
Heute morgen wieder kalt u. unfreundlich, am Nachmittag aber wieder Sonne. Vormittags sehr ausführlich an Pfr. Dr. Clemens Tetzlaff in Badenweiler geschrieben. Nachmittags waren Paul u. Grete zum Kaffee da. Langweilig wie immer.
Gestern war ich zum ersten Male seit meiner Krankheit wieder richtig angezogen, auch heute habe ich den Sonntagsanzug an. In diesem Anzug sieht man erst so recht, wie mager ich geworden bin, der Hemdkragen ist viel zu weit u. der Rock schlottert mir um den Leib; dabei habe ich in letzter Zeit schon recht sehr zugenommen.
Uebermorgen wird der Pater aus Ribnitz wieder bei uns sein u. die hl. Messe lesen. Brigitte Nickstadt, die über Ostern hergekommen ist, erzählt, sie habe in Rostock Pater Drost gesprochen, der die Absicht haben soll, im Mai hierher zu kommen, um uns drei Tage lang religiöse Vorträge zu halten als Ersatz für Exerzitien. Es wäre sehr schön!
Telegramm von Fritz, aufgegeben bereits am 14.4. in Königslutter. Danach ist Fritz schon am Palmsonntag von Regensburg abgefahren, um Ostern bei uns sein zu können. Er ist über Frankfurt M. gefahren u. war nun in Königslutter bei Klaus. Er ist nicht weiter gekommen, weil irgendwo ein Durchgangslager (wahrscheinlich bei Göttingen) für acht Tage gesperrt war. Wie er nun weiterkommen wird, telegraphiert er nicht, aber wir können ihn nun täglich erwarten.
Gestern Abend traf der Pater Beckmann aus Ribnitz ein. Er trank noch mit uns eine Tasse Tee u. ging dann zu Frau Longard, wo er übernachten sollte. Es ergab sich, daß Frau Dr. Völkel, die mit ihrem Mann sehr plötzlich Wustrow verlassen hat, um nach Bremen zurückzukehren,
Hans Brass: TBHB 1946-04-21. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-04-22_001.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2024)