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Seite:HansBrassTagebuch 1946-05-05 002.jpg

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Es ist alles so unsagbar sinnlos. Die Lebensbedingungen in dieser Stadt sind furchtbar. Alles sitzt dicht gedrängt in den wenigen Wohnräumen, die verblieben sind u. die durch die russische Besatzung noch weiter verringert werden. Die Russen haben ganze Straßenzüge, die noch unbeschädigt sind, für sich beschlagnahmt. Solche Straßen dürfen von Deutschen nicht betreten werden. Die Russen haben Frauen u. Kinder kommen lassen u. haben sich häuslich eingerichtet. Die Bolschewisten-Frauen führen ein Faulenzerleben wie alle Russen, sie haben deutsche Dienstmädchen, die die Arbeit tun, während die Bolschewiken ein regelrechtes Bourgois=Dasein führen. Das ist die Rache: diese Bolschewisten werden allesamt für den Kommunismus verdorben.

     Auch in Magdeburg haben die Russen die gesamte Industrie ausgeplündert u. nach Rußland verschleppt, es ist so gut wie nichts dort geblieben. Die Bevölkerung wird vorläufig noch mit Wegräumen des Schutts beschäftigt, wenn diese Arbeit einmal getan sein wird, was freilich noch sehr lange dauern wird, dann wird es keinerlei Beschäftigung mehr geben u. dann erst wird die Katastrophe sich auswirken. – Auch in Ribnitz wird momentan das Werk von Bachmann abmontiert u. nach Rußland verfrachtet, alle arbeitsfähigen Männer hier sind zu dieser Arbeit dorthin dienstverpflichtet. So wie hier ist es überall, vor allem in der Provinz Sachsen im Industriegebiet. Es wird so werden, wie schon früher gesagt worden ist: Deutschland wird ein großer Kartoffelacker.

     Eben, 11 Uhr, ein Telegramm von Fritz. Demnach ist er von Königslutter, wo er bei Klaus war, nach Bebra gelangt, von dort nach Eisenach u. befindet sich jetzt, d.h. am 4. Mai in Erfurt, wo er das Telegramm aufgegeben hat. Er wird von dort, „in wenigen Tagen“ nach Lüdersdorf bei Schwerin kommen, wo er 14 Tage in Quarantäne bleiben muß. Demnach können wir ihn also keinesfalls vor drei Wochen erwarten. –

     Ein sehr netter Brief von Elisabeth Thiel aus Doberan.

     An Else geschrieben über Glaubensdinge als Antwort auf ihren letzten Brief.

     Es waren heute mehrere Herren vom Kulturbund aus Rostock hier mit zwei Autos, natürlich Herr v. Achenbach u. ein evang. Pastor Kleinschmidt mit seiner Frau, der sich im Kulturbund oft aufspielt u. sich den Anschein gibt, Kommunist zu sein. Ich kenne ihn persönlich nicht. Frau Dross ist zu Herrn v. A. gegangen, als sie hörte, daß er hier wäre, um sich zu beklagen, daß ein Bild von ihr auf dem Transport vom Kulturbunde nach hier verloren gegangen sei. Frau v. A. hat versucht, der Frau Dross den Eintritt zu verwehren, da die Herren angeblich eine sehr wichtige Konferenz hätten, aber impertinent wie Frau D. ist, hat sie sich nicht abspeisen lassen u. hat wenigstens festgestellt, daß alle Herren zu einem üppigen Mahle versammelt waren, dessen Duft ohnedies das ganze Haus erfüllte, daß es Alkohol u. Cigarren gab u. daß alle sehr fröhlich waren. Ich glaube es schon. Diese Herren leben allesamt einen sehr guten Tag u. essen auf, was anderen entzogen wird. Kommunismus! – Aber ich denke, daß diesen Herrn v. A. sein Schicksal wohl bald erreichen wird, denn er hat wegen seiner eitlen Arroganz

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Hans Brass: TBHB 1946-05-05. , 1946, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-05-05_002.jpg&oldid=- (Version vom 9.10.2024)