Während der letzten Tage habe ich, angeregt durch eine Marionettenfigur, von denen wir gegenwärtig in der BuStu. eine große Anzahl haben, dazu ein ganz reizendes Theater, Versuche gemacht, ein Gespenst zu zeichnen. Ich habe mehrere Versuche gemacht, bis mir jetzt ein Entwurf gut gelungen ist. Danach werde ich ein kleines Bild malen, das sicher sehr interessant werden wird. Die Leinewand habe ich heute aufgespannt u. grundiert.
Nachmittags waren sehr viele Menschen da, um Bilder zu sehen, darunter das Ehepaar Lindner, ferner Frau Koch-Gotha mit Tochter u. Schwiegersohn, so dann Frau Richter-Langner u. Uschi Gräfin Dohna mit Frau Oberländer. Außerdem noch Leute, die ich nicht kannte, es waren zu viele.
Uschi Dohna sagte mir, daß sie bereit sei, ihr Haus für die geplante Kunstausstellung zur Verfügung zu stellen. Wir gingen gleich hin, um es zu besichtigen. Das Haus ist sehr verwahrlost, aber U. Dohna ist bereit, daß Haus langfristig dem Kulturbunde für künstlerische Zwecke anzubieten. Der Kulturbund könnte das Haus baulich wieder in seinen früheren Zustand versetzen, den es früher als Kunstkaten gehabt hat u. es würde sich vorzüglich für Ausstellungen u. a. künstlerische Veranstaltungen eignen. Damit wäre für Ahrenshoop ein ganz großer Vorteil gewonnen. Ich sagte ihr, sie möchte gleich mit Dr. Burgartz darüber sprechen u. möglichst selbst nach Schwerin fahren, um dort die führenden Leute für die Sache zu interessieren.
Das Gespenster-Bild geht leicht von der Hand, ich denke, daß es morgen fertig werden wird.
Mit meiner künstlerischen Arbeit befinde ich mich in einer Krisis. Blumen habe ich nun reichlich genug gemalt, Landschaften interessieren mich zur Zeit nicht sehr, religiöse Motive sind zunächst auch erschöpft. Ueberhaupt habe ich das Gefühl, mich ziemlich festgearbeitet zu haben, es bieten sich mir keine neuen Plobleme mehr. Das Gespensterbild ist ein Versuch, aus diesem Geleise herauszukommen. Der Versuch beschränkt sich aber rein auf das Motivische. Ich versuche jetzt aus einem anderen Marionetten-Kopf etwas zu machen, eine Zigeuner-Dirne. Eine Zeichnung habe ich gemacht: Kopf einer Dirne, die sich nach rechts bewegt, den Kopf aber nach rückwärts wendet, mit den Augen aber in die Richtung der Bewegung schielt. Ich glaube, daß damit etwas anzufangen ist.
Es ist kalt, regnerisch u. stürmisch.
Der Stadtrat Matern aus Rostock fragte mich, als er neulich meine Bilder ansah, nach solchen Bildern, die sich mit dem Zeitgeschehen auseinandersetzen. Ich sagte, daß ich davon nichts hätte u. zu abseits stände. Seitdem geht mir aber diese Frage im Kopfe herum, jedoch fällt mir nichts ein, was ich da malen könnte, ohne in Plattheiten zu geraten. Eine solche Auseinandersetzung wäre ja auch wieder nur etwas Motivisches.
Hans Brass: TBHB 1946-07-29. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-07-31_001.jpg&oldid=- (Version vom 11.11.2024)