Intrigentum dieser provinziellen Ehrgeizlinge untereinander überaus widerlich, teils zeugt aber der dadurch hervorgerufene Kampf von Lebendigkeit. Ich selbst bleibe bei all dem draußen u. freue mich, daß ich zwar als politisch Parteiloser bei all diesen Leuten im Verdacht der Reaktion stehe, daß aber meine Arbeit entschieden auf der Seite des Fortschrittes steht. Es mag das alles ganz interessant werden in diesem Winter. Die Meinungen werden dann ja aufeinanderplatzen.
Gegen Abend war dann noch das junge Ehepaar Radder aus Wustrow da. Sie sind heute in Wustrow standesamtlich getraut worden. Morgen Abend um 7 Uhr wird P. Beckmann bei uns die hl. Messe lesen u. die kirchl. Trauung vornehmen. Die beiden brachten Blumen, um den Raum zu schmücken u. wollen morgen früh noch mehr Blumen bringen. Sie holten das Harmonium aus der Schule, Frau Richter wird spielen u. Frau Kurth wird singen.
Auch die Eltern von Frau Kurth waren Nachmittags bei mir. Sie bewunderten meine Bilder. Der Vater ist ein Malermeister Albrecht aus Berlin, ein komischer Mann, der glücklich war, als ich ihm erzählte, daß ich als junger Mensch praktisch auf dem Bau gearbeitet habe.
Um 7 Uhr abds. fand die Hochzeit des jungen Paares Hans Radder u. Apollonia Zitzelsperger statt. Es kam eine zahlreiche Verwandtschaft des Ehemannes mit, die allein genügt hätte, unsere Kapelle zu füllen. Aber damit längst nicht genug, kamen auch noch zahlreiche Sudetendeutsche, die erst jüngst in Wustrow u. Althagen angekommen sind. So stand nicht bloß der Korridor u. die Treppe voller Menschen, sondern auch Marthas Schlafzimmer, die sog. Sakristei, war dicht besetzt. Der Pater mußte die Beichte bei mir unten hören. – Sonst war es aber sehr schön u. feierlich. Frau Richter spielte das Harmonium u. Frau Kurth sang zu beginn ein „Ave Maria“ u. zum Schluß irgend ein Liebeslied von Beethoven. Zur anschließenden Messe sangen alle gemeinsam Lieder zur Messe, zum Schluß „Lobe den Herrn“. Die Feier war gegen ½9 Uhr zuende. Der arme Pater mußte dann noch nach Wustrow fahren um bei dem jungen Paare zu Gast zu sein. Er fährt dann von dort wieder hierher zurück, da er bei Frau Longard übernachten wird. Morgen früh fährt er mit dem Motorboot zurück.
Am Vormittag arbeitete ich den kurzen Vortrag aus, den ich zur Eröffnung der Kunstausstellung halten werde.
Vormittags die Ansprache durchgearbeitet, die ich am Sonntag halten werde. Prof Resch (nicht Roesch) war da u. brachte mir das Manuskribt seiner Dichtung. Er berichtete mir, daß er morgen, Dienstag, noch einmal mit irgend wem kommen wolle, um meine Bilder zu
Hans Brass: TBHB 1946-08-10. , 1946, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-08-11_001.jpg&oldid=- (Version vom 13.11.2024)