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TBHB 1946-08-10

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1946-08-10
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Entstehungsdatum: 1946
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Originaltitel: Sonnabend, 10. August 1946.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 10. August 1946
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Einführung

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Der Artikel TBHB 1946-08-10 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 10. August 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über fünf Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Tagebuch.
Heft 20.

     Begonnen am 10. August 1946.

     Geschlossen am 11. Dezember 1946.

[2]
Sonnabend, 10. August 1946.     

[2]      Liste der auszustellenden Bilder aufgestellt, nach Motiven geordnet, Blumenbilder, Landschaften usw., insgesamt 32 Stück. Entsprechend dieser Liste Etiketten geschrieben u. auf Rückseiten geklebt.

     Mittags mit Pastor Kleinschmidt im Dohna'schen Hause, auch Dr. Burgartz, Gräfin Dohna u. a. waren da, auch Malermstr. Graeff. Wir besprachen das Rausreißen der Wand u. der sonstigen Arbeiten. Bis abends 7 Uhr war die Wand wirklich spurlos verschwunden. Gräfin Dohna überläßt mir die frei gewordenen Bretter der Deckenschalung, sodaß ich davon Bilderkisten für die Ausstellung machen lassen kann.

     Nachmittags kam Herr Meyer aus Althagen, der mir die Bilderrahmen macht. Er nahm die Maße u. will die Rahmen für 7 Bilder bis zum Donnerstag fertig haben.

     Später kam Herr Prof. Roesch, mit dem ich auf der Terrasse saß. Er legte Wert darauf, daß Martha dabei war, obgleich ich nicht sehen kann, wozu das sein sollte. Er entwickelte mir eine lange Geschichte, die mit dem Faust II Teil u. dem Abstieg zu den Müttern begann u. dann auf die Backofen-Hypothese vom Zeitalter des Mutterrechts überging u. schließlich mit dem Geständnis endete, daß er eine Dichtung geschrieben habe, welche den aus dem Jenseits zurückgekehrten Faust zum Gegenstande hat u. das neuerliche [3] Zusammentreffens Faust's mit der heutigen Figur Mephistos. Dieser erklärt dem Faust unter Hinweis auf die heutige Situation, was er in der Zwischenzeit alles gemacht hat. Faust aber hat inzwischen die Weisheit der Verklärung erlangt u. findet, daß all diese dämonische Mephisto-Arbeit reine Männerleistung ist u. zum Untergang bestimt ist, weil das Wesentliche fehlt: die Leistung der Frau. Um diese nun einzuführen, erscheint jetzt auch Gretchen, die nun aber zur Margarete herangewachsen ist u. sich als junge Aerztin präsentiert. Sie tritt auf als das große Weib, welches nun seine Mitarbeit anmeldet, – eine Mitarbeit, die nicht, wie die Arbeit der bisherigen Frauenrechtlerinnen eine Nachahmung der Männerarbeit sein wird, sondern eben Frauenarbeit im Sinne des Bewahrens, Behütens u. Leidens. Sie wird von Mephisto vergiftet, aber ihr Testament wirkt dann weiter u. führt eine neue Zeit herauf, in welcher die europäische Frau als Frau gleichwichtig neben dem Manne steht.

     Der Gedanke ist ganz schön u. fruchtbar. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß diese Frau jedoch schon immer existiert habe in der kathol. Kirche, bzw. in der Jungfrau Maria. – Jedenfalls ist es so seine Idee, die er in einer Dichtung verarbeitet habe, obgleich er früher nie gedichtet hätte. Erst eine längere Gefängniszeit, zu der ihn die Nazis verurteilt haben, hätte ihn dazu gebracht. Er meinte, daß die Dichtung aus zwei Teilen bestehen würde wie Goethes Faust auch u. daß er den ersten Teil jetzt fertig hätte. An diesem hätte er acht Jahre gearbeitet. Es erscheint demnach zweifelhaft, ob der zweite Teil je fertig werden wird. Aber gleichwohl fragte er mich, – u. das war dann der Sinn der Unterhaltung, – ob ich vielleicht bereit wäre, zu dieser Dichtung Illustrationen zu machen. Der Gedanke ist nicht reizlos, ganz unabhängig vom Werte der Dichtung u. ich sagte gern zu, vorausgesetzt, daß er mir eine Abschrift seines Werkes geben wolle. – Er meinte dann, daß es doch erwägenswert sei, meine Ausstellung in Berlin noch etwas hinauszuschieben, da sich vielleicht aus dieser Arbeit für mich die Möglichkeit ergeben könne, ein oder zwei neue Bilder zu malen, die über meine religiösen Bilder hinausweisen. – Hier wurde ich stutzig. Ich sagte, daß wir dann mit der Ausstellung möglicherweise noch zwei Jahre warten müßten, denn wenn es wirklich so sein sollte, wie er hofft, dann würden bis zur völligen Ausreifung dieser Idee eben leicht zwei Jahre vergehen. –

     Ich fragte ihn dann vorsichtig über seine Stellung im Kulturbunde aus. Es ergab sich, daß er bis jetzt in der Volkshochschule leitend tätig gewesen ist, daß es da aber zu Meinungsverschiedenheiten gekommen sei u. daß er seine Position als Leiter der Berliner Kulturbundes jetzt eben erst angetreten habe. Ich fragte weiter, ob er denn in dieser Stellung so viel Kompetenz besitze, die von ihm geplante Ausstellung meiner Bilder wirklich durchzuführen, – u. da war er offenbar unsicher. Er sagte mir, daß er einen jungen [4] Geschäftsführer zur Seite habe, ein Mann von 35 Jahren, der Politiker sei, – also wohl ein Mann der SED. – u. den müsse er erst fragen. Dieser Mann ist auch hier u. er will mit ihm zusamen nochmals zu mir kommen. Dies müßte aber schon Montag oder Dienstag geschehen, da er am Mittwoch nach Bln. zurückfährt. Auch will er den Präsidenten des Kulturbundes, Joh. Becher, zu mir bringen, doch schien er da ungewiß zu sein, ob er das fertig bringen würde. Als ich ihm dann von Pastor Kleinschmidt erzählte, der ja Landesleiter des Kulturbundes in Mecklenbg-Vorpomern ist u. als er hörte, daß Kleinschmidt meine Bilder sehr schätzte u. meine Ausstellung in Schwerin betriebe, war er hoch erfreut. Er sagte, er wolle sich dann hinter Kleinschmidt stecken, um durch ihn Becher zu mir zu bringen.

     Das sieht nun keineswegs so aus, als könnte ich mich auf Herrn Prof. Roesch sehr sicher verlassen. Man muß abwarten, aber ich habe nicht den Eindruck, daß dieser Mann so ohne weiteres das durchführen kann, was er mir zunächst versprach, als er sich in einem Kranz von Damen vielleicht sehr stark vorkam. Heute war er ohne diese Damen jedenfalls viel kleinlauter. –

     Ueberhaupt scheint es in diesem ganzen Kulturbund wieder einmal zu kriseln. Vormittags war Dr. Burgartz bei mir u. brachte mir die Einladungen zu unserer Kunstausstellung. Er sagte mir, daß Stadtrat Matern u. Herr v. Achenbach sehr innigst befreundet seien u. daß beide gegen Pastor Kleinschmidt stünden. Achenbach habe aber Aussicht, demnächst nach Berlin zu gehen, u. er würde dann sicher Matern dorthin nachziehen. Immerhin sei aber auch Pastor Kleinschmidt angreifbar, sodaß in den letzten Tagen der Oberregierungsrat Venzmer aus Schwerin hier gewesen sei, um da einiges in Ordnung zu bringen. Kleinschmidt selbst deutete ja gestern Abend an, daß da in der Presse einige unangenehme Notizen erschienen seien über die Angelegenheiten des Kulturbundes in Ahrenshoop, – gewiss nur reines Zeitungsgeschwätz –, aber solche Sachen sind immer unangenehm. Der Erfolg davon ist aber, daß Herr Kleinschmidt sich große Mühe gibt, hier einen guten Eindruck zu machen. Er spricht von Fehlern, die gemacht worden seien u. die in Zukunft vermieden werden müßten. – Die Stellung des Dr. Burgartz hat sich dagegen sehr gehoben. Er soll ja wohl die Leitung der in Rostock neu zu gründenden Hochschule für Musik inne haben u. ist gleichzeitig Feuilleton-Redakteur des jetzt neu eingerichteten Rostocker Teiles der Landes-Zeitung, die selbst in Schwerin erscheint. Dr. B. hat einen sehr modernen Komponisten für die Hochschule verpflichtet u. hat sich dadurch in die Nesseln gesetzt bei den reaktionären Kreisen Rostocks. Es wird auch da Kampf geben. Auch für meine Ausstellung sagte er den Kampf dieser Kreise gegen meine Bilder voraus, doch versicherte er mir, daß er mich als Leiter des Feuilletons verteidigen u. schützen werde. – So scheint also da überall ein neues Leben zu erblühen. Teils ist dieses heimliche [5] Intrigentum dieser provinziellen Ehrgeizlinge untereinander überaus widerlich, teils zeugt aber der dadurch hervorgerufene Kampf von Lebendigkeit. Ich selbst bleibe bei all dem draußen u. freue mich, daß ich zwar als politisch Parteiloser bei all diesen Leuten im Verdacht der Reaktion stehe, daß aber meine Arbeit entschieden auf der Seite des Fortschrittes steht. Es mag das alles ganz interessant werden in diesem Winter. Die Meinungen werden dann ja aufeinanderplatzen.

     Gegen Abend war dann noch das junge Ehepaar Radder aus Wustrow da. Sie sind heute in Wustrow standesamtlich getraut worden. Morgen Abend um 7 Uhr wird P. Beckmann bei uns die hl. Messe lesen u. die kirchl. Trauung vornehmen. Die beiden brachten Blumen, um den Raum zu schmücken u. wollen morgen früh noch mehr Blumen bringen. Sie holten das Harmonium aus der Schule, Frau Richter wird spielen u. Frau Kurth wird singen.

     Auch die Eltern von Frau Kurth waren Nachmittags bei mir. Sie bewunderten meine Bilder. Der Vater ist ein Malermeister Albrecht aus Berlin, ein komischer Mann, der glücklich war, als ich ihm erzählte, daß ich als junger Mensch praktisch auf dem Bau gearbeitet habe.