sehen, jedoch sei es ihm nicht gelungen, Joh. R. Becher dazu zu bewegen. Herr Prof. Resch wird mir immer zweifelhafter, eine oberflächliche Durchsicht seiner Dichtung hat diese Ansicht nicht verbessert.
Mittags war ein Herr Hertwig bei mir. Dieser sehr nette Mann hat früher in Prerow gelebt u. hat dort allerhand Narrheiten getrieben. Die Narrheiten haben sich offenbar ausgeglichen u. übrig geblieben ist ein amüsanter, quicklebendiger alter Herr, der interessant zu erzählen wußte. Er lebt, so weit ich verstanden habe, jetzt in Potsdam u. macht irgendwie in Politik.
Nachmittags war das Ehepaar Lommers bei mir, Bilder zu sehen. Sowohl er selbst, wie seine Frau sind ungemein sympatische Menschen, die ich mit großem Vergnügen kennen gelernt habe. Lommers gab mir eine sehr kräftige Anschauung über Joh. R. Becher u. über den sonstigen Kulturbundbetrieb in Berlin. –
Abends bekam ich einen sehr interessanten Brief von Erich Friese. Er schreibt kurz über die Kampftage in Berlin, – alles das kennt man nun ja schon. Sodann teilt er mit, daß er seinen Posten in der Verwaltung Berlins los sei u. er meint, daß sich das von selbst verstehe, „denn einmal war ich nicht Nazi u. dann bin ich auch nicht in der KPD.“ Ich verstehe diese Logik nicht. Er meint dazu, daß die Menschen, außerhalb Berlins keine Ahnung hätten, wie es dort wirklich aussieht, denn was in der Zeitung steht, meint er, wäre alles Unsinn. Die Berliner, schreibt er, hätten so gut wie garkein Gemüse. Es habe immer gehießen, alles Gemüse ginge in die Krankenhäuser, aber auch das ist nicht wahr. Es soll bis heute seit Kriegsende noch kein Fenster verglast worden sein u. an Kohle u. Holz für den Winter sei nicht zu denken. Er teilt die amtlichen Zahlen der Geburten u. Todesfälle in einer Woche mit (doch sagt er nicht, welche Woche, – ob es schon lange her ist oder letzte Gegenwart) Danach sind in Bln. in einer Woche 325 Menschen geboren u. 1624 gestorben, darunter 50 Selbstmorde. Das sind freilich erschütternde Zahlen. –
Vormittags kam Prof. Resch, sein –, bz. des berliner Kulturbundes Geschäftsführer, ein junger Mann etwa Anfang 38, noch ein anderer Herr auch Berlin vom Kulturbund, ein Ehepaar aus Berlin mit erwachsenem Sohn u. noch eine Dame, – viel zu viel Menschen, um die Bilder mit Interesse zeigen zu können. Dennoch waren alle sehr befriedigt u. es scheint doch so, als würde aus der Ausstellung etwas werden. Prof. Resch war sehr vergnügt, er fährt morgen wieder nach Berlin. Der Geschäftsführer u. der andere Herr wünschen allerdings, Fotos mitzunehmen, da in Berlin Pechstein noch für die Sache gewonnen werden muß. Die Ausstellung kann dann im November stattfinden, wahrscheinlich in den Klubräumen des Kulturbundes, die gegenwärtig in der Jägerstraße hergerichtet werden.
Am Nachmittag kam verabredungsgemäß der Geschäftsführer noch einmal in Begleitung einer Frl. Dr. Sowieso. Mit diesen beiden jungen Menschen war es nun bedeutend besser. Sie blieben zwei Stunden u. konnten sich kaum trennen. Der junge Geschäftsführer
Hans Brass: TBHB 1946-08-12. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-08-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 13.11.2024)