sei nicht „zeitnahe“. Er hat also zum Ausdruck gebracht, was er nachher in der Landeszeitung geschrieben hat. Frau Dr. R. meint, daß seine Behauptung, die Bilder seien nicht zeitnahe, auf allseitigen heftigen Protest gestoßen sei unter Hinweis auf den „Aufbruch“.
Danach habe Frau Karsten sehr schöne Erklärungen der Bilder „Aufbruch“ u. „Wohnstube“ gegeben u. habe damit allseitige Zustimmung geerntet. Diese Erklärungen gibt sie ja auch in ihrer Kritik im „Demokrat“, nur daß ihr leider das Mißgeschick begegnet, daß sie die Alte auf dem Bilde „Aufbruch“ als Mann u. Vater deutet, was mir einigermaßen unverständlich ist. Herr Scharrer aber habe nach seinem vollbrachten Protest den Saal verlassen, ohne sich noch weitere Erklärungen anzuhören. –
Irgend ein aufgeregter, alter Mann mit „kriegerischen Allüren“, aus denen nicht recht ersichtlich geworden sei, ob für oder wider, erklärte das Bild „Weidenkätzchen“ für ein sehr schönes Bild, u. die Tatsache, daß man darüber überhaupt diskutiere, sei ein Frevel. –
Ehm Welk schloß darauf die Diskussion mit einem kurzen Schlußwort. Hinterher habe sich dann ergeben, daß das anwesende Publikum sich in zwei Lager spaltete. Um Frau Dr. R. habe sich die ganze Jugend geschart während die Opposition sich um Gahlbeck sammelte. –
Frau Dr. R. schreibt, sie sei vom Verlauf sehr befriedigt gewesen. Bis zum Sonntag Mittag seien 700 Eintrittskarten verkauft worden, die geladenen Gäste nicht gerechnet. Fritz meint, daß sich der Verkauf jetzt auf 1100 Karten beliefe. Das ist enorm. Frau Dr. R. schließt ihren Brief mit den Worten: „Wenn die gesamten Mecklenburger nicht entfernt so zögen wie der eine, dem das Rostocker Museum seine Pforten nicht öffnen soll, so wäre das doch eine vergnügliche Perspektive.“ –
Auf jeden Fall ist bewiesen, daß in ganz Mecklenburg noch nie eine Bilderausstellung so weite Kreise in Erregung gebracht hat, wie diese, – u. das allein ist ein ganz großer Erfolg, selbst wenn die Opposition die Mehrheit hat.
Die Landeszeitung von gestern, die heute gekommen ist, bringt bereits wiederum eine ziemlich ausführliche Notiz über die Diskussion, überschrieben: „Respekt vor den Werken der bildenden Kunst“. Unterschrieben ist die Notiz: „Y.H.“ – Wer das ist, weiß ich nicht.
Abends: Nach Tisch zur Landtags= u. Kreistagswahl. – Um 3 Uhr kam der sudetendeutsche Pfarrer, ein kleines, verhutzeltes Männchen der uns ein Hochamt mit Predigt hielt. Die Predigt war nicht sehr bedeutend, aber die Teilnahme war enorm, da in letzter Zeit viele sudetendeutsche Flüchtlinge hier eingetroffen sind. Dieser Pfarrer ist sehr unpersönlich. Ich weiß nicht einmal wie er heißt. Wir wollten nach dem Gottesdienst mit ihm Kaffee trinken aber er machte sich gleich wieder auf den Weg nach Wustrow.
Am Abend brachte uns Fritz die Wahlergebnisse
Hans Brass: TBHB 1946-10-20. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-10-20_002.jpg&oldid=- (Version vom 26.11.2024)