durch ein ordentliches Kohlenfeuer im Keller wieder in Gang brachte.
Telegramm von P. Beckmann, daß am Sonntag, wie verabredet, hier Gottesdienst ist. Es wird das wieder sehr kalt werden.
Abends im Rundfunk allerhand. Die Engländer haben alle deutschen Angelegenheiten dem Außenminister zugewiesen. Man scheint also zu bemerken, daß es so, wie es ist, nicht weitergehen kann. Sodann ist der amerikan. Außenminister Byrnes plötzlich u. völlig unerwartet zurückgetreten. Den Grund kennt man nicht. Er war die große deutsche Hoffnung. Sein Nachfolger ist ein General Marshal, von dem man nicht viel weiß. – Schließlich ist großer Krach in Hamburg, da keine Kohlen da sind u. das ganze Leben dadurch zum Erliegen kommt. Der Oberbürgermeister hielt im Parlament eine bedrohliche Rede, die im Rundfunk wiederholt wurde. Die Stadt steht vor einer Katastrophe. – Das Jahr fängt also gut an. Die einzige Maßnahme, die der Senat weiß, ist die, daß die Schulen bis zum 15. Jan. geschlossen bleiben. Zu diesem Termin sollen die Schulen Kohlen erhalten u. sollen dann als Wärmehallen für die Bevölkerung dienen. Bei der gegenwärtigen Kälte u. der mangelhaften Ernährung u. Kleidung können bis dahin Tausende erfroren sein.
Die Bombenattentate auf die Entnazifizierungs=Spruchkammern in Süddeutschland, die seit einiger Zeit verübt werden, setzen sich fort. In Nürnberg soll ein sehr schweres Attentat verübt worden sein, wie ebenfalls der Rundfunk bekannt gibt. Es sind das böse Anzeichen einer unterirdischen Gärung im Volke, die nicht ernst genug bewertet werden können; aber es scheint, daß man auf amerikan. Seite, der Besetzungsmacht, diesen Ernst sehr vermissen läßt. Ich fürchte, daß der Hunger, die Kälte u. all diese Not verbunden mit der politischen Gärung, in nächster Zeit zu bösen Explosionen führen wird. Der Hamburger Senat soll bereits damit gedroht haben, geschlossen zurückzutreten.
Die Not der Großstädter geht aus Faensen's letztem Brief hervor. Danach leben sie zu acht Menschen, darunter ein Säugling u. eine 81jährige Tante u. er als Patient in einem einzigen Zimmer, das nur auf 10° erwärmt werden kann (als er das schrieb!). – Inzwischen ist dieser Frost eingetreten. Sie haben regulär nur einen Centner Briketts erhalten, zusätzlich erhielten sie noch zwei Centner Säuglings-Briketts u. einen Centner Kranken-Briketts Das alles ist furchtbar. –
Immer noch der gleiche Frost, dazu aber ein scharfer Ostwind, der durch alle Ritzen u. Fugen geht, sodaß es auch im Hause kalt ist. Der Rundfunk behauptet, daß der Höhepunkt überschritten ist, daß von Westen her Erwärmung käme, die freilich an der Elbe ihr Ende finden würde. An der Elbe befindet sich also auch für das Wetter der „Eiserne Vorhang“, der uns vom Westen trennt.
Die Kälte hat uns veranlaßt, Herrn Röwer herzubitten, der auch sofort kam u. den eisernen Ofen, der im Atelier des kleinen Hauses ungenutzt stand, abmontierte, um ihn in meinem Schlafzimmer aufzustellen. Um Platz zu schaffen, stellte ich den niedrigen grauen Schrank in mein Wohnzimmer u. das Bett rückte ich hinauf zum Fenster, wo bisher der große weiße Schrank stand. Dieser steht jetzt am Platze des
Hans Brass: TBHB 1947-01-08. , 1947, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-01-09_001.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2025)