TBHB 1947-01-08
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1947-01-08 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 8. Januar 1947. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Der Frost hält unvermindert an. Heute war von 2 Uhr nachm. bis 9 Uhr abds. der Strom ausgeschaltet. Dieses stumpfsinnige Sitzen im Dunklen ist ziemlich schwer zu ertragen. Zum Überfluß war in der Nacht auch die Pumpe eingefroren, die ich indessen bis zum Mittag [2] durch ein ordentliches Kohlenfeuer im Keller wieder in Gang brachte.
Telegramm von P. Beckmann, daß am Sonntag, wie verabredet, hier Gottesdienst ist. Es wird das wieder sehr kalt werden.
Abends im Rundfunk allerhand. Die Engländer haben alle deutschen Angelegenheiten dem Außenminister zugewiesen. Man scheint also zu bemerken, daß es so, wie es ist, nicht weitergehen kann. Sodann ist der amerikan. Außenminister Byrnes plötzlich u. völlig unerwartet zurückgetreten. Den Grund kennt man nicht. Er war die große deutsche Hoffnung. Sein Nachfolger ist ein General Marshal, von dem man nicht viel weiß. – Schließlich ist großer Krach in Hamburg, da keine Kohlen da sind u. das ganze Leben dadurch zum Erliegen kommt. Der Oberbürgermeister hielt im Parlament eine bedrohliche Rede, die im Rundfunk wiederholt wurde. Die Stadt steht vor einer Katastrophe. – Das Jahr fängt also gut an. Die einzige Maßnahme, die der Senat weiß, ist die, daß die Schulen bis zum 15. Jan. geschlossen bleiben. Zu diesem Termin sollen die Schulen Kohlen erhalten u. sollen dann als Wärmehallen für die Bevölkerung dienen. Bei der gegenwärtigen Kälte u. der mangelhaften Ernährung u. Kleidung können bis dahin Tausende erfroren sein.
Die Bombenattentate auf die Entnazifizierungs=Spruchkammern in Süddeutschland, die seit einiger Zeit verübt werden, setzen sich fort. In Nürnberg soll ein sehr schweres Attentat verübt worden sein, wie ebenfalls der Rundfunk bekannt gibt. Es sind das böse Anzeichen einer unterirdischen Gärung im Volke, die nicht ernst genug bewertet werden können; aber es scheint, daß man auf amerikan. Seite, der Besetzungsmacht, diesen Ernst sehr vermissen läßt. Ich fürchte, daß der Hunger, die Kälte u. all diese Not verbunden mit der politischen Gärung, in nächster Zeit zu bösen Explosionen führen wird. Der Hamburger Senat soll bereits damit gedroht haben, geschlossen zurückzutreten.
Die Not der Großstädter geht aus Faensen's letztem Brief hervor. Danach leben sie zu acht Menschen, darunter ein Säugling u. eine 81jährige Tante u. er als Patient in einem einzigen Zimmer, das nur auf 10° erwärmt werden kann (als er das schrieb!). – Inzwischen ist dieser Frost eingetreten. Sie haben regulär nur einen Centner Briketts erhalten, zusätzlich erhielten sie noch zwei Centner Säuglings-Briketts u. einen Centner Kranken-Briketts Das alles ist furchtbar. –