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Seite:HansBrassTagebuch 1951-07-18 001.jpg

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Herr Wilhelm Pieck hat sogar an einem Gottesdienst teilgenommen –, ohne daß man darüber laut gelacht hätte, – sogar die Mitglieder der SED. sind in die Kirchen kommandiert worden, die FDJ. ebenfalls; aber ich kann mir nicht denken, daß jemand an die christlichen Gefühle dieser Leute wirklich geglaubt hat. Die Berliner Zeitung hat in diesen Tagen von Wohlwollen nur so getrieft. – u. wie mag es bei den evangel. Christen selbst gewesen sein? Ich weiß es nicht; aber sicher ist doch, daß alle diese Menschen ganz freiwillig hergekommen sind u. nicht kommandiert wie zu den jetzt zu erwartenden Weltfestspielen den Jugend u. Studenten, zu denen ja wahrscheinlich vier= bis fünfmal so viele Menschen hier zusammengetrieben, werden.

     Die Christen sind zweifellos freiwillig gekommen; aber ist es nun wirklich die Begeisterung für Christus, die die Leute zum Kommen veranlaßt haben? Von Barbara, diesem Kalb, habe ich vergeblich darüber etwas zu hören versucht, ja ich hatte den Eindruck, daß dieses dicke Kind eigentlich darüber garnicht nachgedacht hat. Für sie war die Sensation, das Erlebnis Berlins usw. die ausschlaggebende Triebfeder –, u. so dürfte es sicher bei sehr vielen dieser dürftigen Menschen gewesen sein, die ich hier gesehen habe. Indessen wird auch dies seine Wirkung haben. Man hat diese Christen ja nach Strich u. Faden poussiert. Dennoch ist einem so dämlichen Kinde wie Barbara der Unterschied zwischen West= u. Ostberlin in die Augen gesprungen u. diesen Unterschied werden dann ja auch die anderen gemerkt haben. Hier u. da habe ich auch Gespräche der Leute belauschen können u. immer ist mir bestätigt worden, daß diese Leute sehr gut die Absicht durchschaut haben.

Mittwoch, 18. Juli 51.     

     Heute erhielt ich aus Rostock die Ausfertigung des Urteils in der Scheidungssache. Demnach ist meine Ehe nunmehr geschieden, ich bin als der Schuldige erkannt, da ich mich „beharrlich u. grundsätzlich“ geweigert habe, die Ehe fortzusetzen. Der rostocker Scheidungsrichter trägt den schönen Namen „Gedeon“.

     Damit ist eine lange Epoche meines Lebens endgültig abgeschlossen. Es tut mir für M. nach wie vor sehr leid, daß es so kommen mußte. Ich hatte bestimmt erwartet, daß diese Ehe mit M., der letzte Lebenszustand für mich sein würde. Seit vielen Jahren hatte ich begriffen, daß diese Ehe für mich eine Art von Tod bedeutete, insofern, als ich dafür meinen Beruf u. meine Neigungen zum Opfer brachte. Ich habe dafür eine gewisse Sicherheit meiner wirtschaftlichen Verhältnisse eingetauscht, ich habe eine Wohnung gehabt, Kleidung u. Essen u. habe eine geradezu buddhistische Wunschlosigkeit errungen. Ich habe mein ganzes Streben, ausschließlich auf die Erringung meiner ewigen Seligkeit gerichtet, wovor mir alles andere zweitrangig erschien u. der ich alles andere opferte. Ich habe tatsächlich in der Überzeugung gelebt, daß es ausschließlich auf diese

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Hans Brass: TBHB 1951-07-18. , 1951, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1951-07-18_001.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2024)