Seite:Hans Bötticher Ein jeder lebts 142.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s

Tauben sich liebetrennend emporgeschwungen hatten. Einmal wurde das Dämchen Scholz von einem dreisten Ast ruckweis am Röckchen zurückgerissen und mußte sich unbillig mit einem Kleiderriß loskaufen. Und es fand sich ein anderer, höchst lustiger Ast, der nicht zu passieren war, ohne daß man ihn springend erhaschte und ein-, zweimal daran wippte. Es wartete an bewußter Stelle eine von Försterrudy aufgestellte Raubtierfalle, und des Stadtrats Töchterlein entdeckte wichtig, daß keine Katze sich gefangen hatte. Es kam eine staubige Landstraße, wo die zierlichen Armchen zu Pleuelstangen wurden und das Mädchen unwillkürlich pfeifend und zischend in Rhythmus geriet. Und Vogelnester und Blumen: Margariten, Jasmin, Heckenrosen, Kornblumen; blaue, gelbe, weiße, lila Blüten. Bald vermochten die jungen Fingerchen kaum noch die Stengelbündel zu umklammern, einen Kranz wollte sich Daja flechten und auf den Kopf setzen und die übrigen Pflanzen allmählich vor sich hinstreuen und ganz langsam und ganz feierlich darüberwandeln, welches Spiel sie Blumenhochzeit nannte. Üppiger Mohn, der frivol in den Kornfeldern frohlockte, brachte ihr zudem einen neuen vielverheißenden Einfall: Sie würde mit den roten Blüten die Schwäne auf dem Schloßteich bewerfen; das mußte sich ausnehmen wie Blut; und dann würde sie Begräbnis spielen. O wie wundervoll war die Welt außerhalb der Lampenkammer, wie grenzenlos weit!

Trotzdem hätte Daja beinahe den braunberockten

Empfohlene Zitierweise:
Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s. München: Albert Langen, 1913, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hans_B%C3%B6tticher_Ein_jeder_lebts_142.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)