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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s


Er aber weinte lange, umklammerte ihre Hände; und nun erkannte er, daß es doch Lepupa war, die er festhielt. Anna Lewise kam, Daja kam, die bucklige Ägypterin von Fayum und Tante Gerold kamen, dazu Sonnenkranz mit seinen Kompagnons und andere Herren, sämtlich in schwarzen Anzügen, mit schwarzen Handschuhen und gewichsten Zylinderhüten, und Herr Kästner sagte: „Wir wollön seinö und ihrö Knochön verteilön.“ Dabei griff er Lepupa ins Gesicht und riß ihr mit spitzen Fingernägeln die Augen heraus, daß sie nur noch an blutigen Fleischbändern hingen, tief niederhingen. „Gott, Gott! Mutter! Erbarmen!“ Der Rostbraune wich zurück, Lepupa mitreißend. Die Männer folgten mit furchtbar ausgestreckten Armen, wie riesige scheußliche Krebse, Schritt für Schritt. Seine Zähne schlugen klappernd auf- und auseinander. Er fror, und seine Augen zwinkerten unter rinnendem Schweiß. Er hörte keinen Laut, fühlte nur, wie die blutigen Fleischbänder mit Lepupas Augen an seinen Körper anpendelten, wich weiter zurück, wandte den Kopf und erblickte hinter sich das glühende Feuerloch. Dann, unmenschlich aufkreischend, packte er den Wasserkrug und schlug um sich. –

„Nummero 16 doppelte Seitenfessel!“ befahl der Direktor einem Wärter und schloß die Beobachtungsklappe.


Empfohlene Zitierweise:
Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s. München: Albert Langen, 1913, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hans_B%C3%B6tticher_Ein_jeder_lebts_153.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)