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dem treuen deutschen Gott, der ihm solche Gnade erwiesen hatte. Am selben Tage noch schrieb er mit der gesunden rechten Hand einen langen Brief an die Mutter und an Annelies, und es stand der scherzhafte Satz darin: „Jetzt können sie mich wohl nicht mehr das Milch-Gesicht nennen, sollt’ ich meinen. Und von Dir, Frau Annelies, bitte ich mir aus, daß Du mich als ganzen Mann behandelst und hübsch folgsam tuft, was Dein strenger Herr und Gebieter Dir befiehlt!“

     Und schon ein paar Tage später, konnte er einen zweiten Brief in die Heimat richten, einen Brief, der voll Jubel war: „Liebe Annelies, soeben kommt ein Regimentsbefehl, und darin steht unter anderm, daß den Leutnant Kurt Helmers für umsichtiges und erschrockenes Verhalten in den Kämpfen um Nomeny von Seiner Majestät den Kaiser das Eiserne Krenz verliehen wurde. Hurra! Hurra! Ich umarme und küsse Dich, viele viele Male, teure, süße Annelies! Und vergiß nicht den Wahlspruch, der hier für uns alle gilt, und an den auch Ihr braven deutschen Frauen daheim Euch halten sollt: „Durch!“




     – Zwiegespräch. A.: Det geht doch uff kene Kuhhaut, wat in Belgien und Frankreich uff uns geschumpfen wird. – B.: Geschumpfen? Nanu, et is doch ins Jegenteil alleus von uns eingenommen.

     Müller: Komisch! Schultze: Wat denn? Müller: Na, mit die Forts. Schultze: Wie so? Müller: Na, erst heeßt fo’n Ding französisch ausgesprochen „Fohr“, un mit eenmal heißt es, jut deutsch ausgesprochen „fort“.

     – Sergeant zum Einjährigen, der falsch im Glied steht: „Was sind Sie eigentlich in Zivil?“ – „Kunstmaler.“ – „So! Da wollen Sie wohl hier eine neue Richtung einführen?“

     – An einem der Yeşten Nachmittage stehe ich vor einem Schaufenster und betrachte die große Landkarte, auf welcher Deutschland mit blauer Farbe gekennzeicnet ist. Neben mir steht ein Arbeiter und mit nachdenklichem Blick auf die Karte bemerkt er überzeugt: – „Ick habe et immer gesagt, det muß noch ville mehr blau gemacht wern!“ Und alles glaubte ihm und war der gleichen Meinung.

     – Sie wil die Bux. In einem kleinen Ort des Ravensberger Landes bringen die Landwehrfrauen mit den Kindern die einberufenen Ehemänner zur Bahn. Einer der letzteren kann beim Abschied von Frau und Kind eine Träne nicht unterdrücken. Danach die Frau: – „Watt? Du wost ’nen Mann sin? Treck die Bux ut, denn treck ick se an!“ („Was? Du willst ein Mann sein? Zieh die Hose aus, dann zieh ich sie an!“) Ein lautes „Bravo!“ der Mitreisenden belohnte das tapfere Weib.

     – Sie brauchen neue Unterröcke. Bei seinem Abschied aus Rostock steht da auf dem Bahnhof auch ein echter forscher Mecklenburger und nimmt von seiner Mutter, einer einfachen Tagelöhnersfrau, Abschied. Nachdem er seine Mutter auf ihre wiederholten ängstlichen Fragen: „Ach Gott! Krischan! Wast du ok ümmer wat Richtiges to eten kriegen?“ beruhigt hatte, sagte die Mutter noch zu ihrem Sohne: „Du, Krischan! Wat ick noch seggen wüll, wenn du na Frankreich kummst, verget mi jo nich, enige rode Büxen mittobringen, du west io, Triene und Fiken brucken so notwenig niege Unnerröck.“

     – Die Friedensstärke. Heute lese ich, so erzählt der „Lok.-Anz.“, meinem lieben, schwerhörigen, alten Onkel, der in den drei Feldzügen des verflossenen Jahrhunderts ruhmreich mitgekämpft hat, etwas über Deutschlands Seemacht vor. Mit erhobener Stimme betone ich die ungeheuren Kalibermaße der Schiffsgeschütze. Die gewaltigen Zahlen von 27 bis 34 Zentimeter sind offenbar das erste, was der alte Herr verstanden hat, denn überlegen klopft er mir auf die Schulter und entgegnet mir verheißungsvol: „Bedenke, lieber Neffe! Und das ist bloß die Friedensstärke“

     – Auf der Straße unterhalten sich zwei Knaben über den Krieg. Der eine macht dem andern klar, wie schlimm doch die Sache für uns ist. Darauf der andre: „I, Mensch, das ist ja nicht schlimm, uns hilft der liebe Gott, und das ist ein Deutscher!“

     – Unterschiede. Im Gespräch über den Krieg zwischen Deutschland und England schlug ein Engländer mit der Faust auf den Tisch und rief erregt: „Unser Parlament wird kämpfen bis zum letzten Penny!“ Der Deutsche antwortete: „Und unser Volk bis zum letzten Blutstropfen.“

     – Die Franzosen verwenden wieder die Zuaven im Kriege gegen Deutschland. Das ist der Unterschied zwischen ihnen und uns: Wir senden die Besten, sie die Bestien ins Feld.

     – Hänschen weiß, daß seine Mutter dem kleinen Schwesterchen Milch zu trinken gab, und daß man das stillen nennt. Jetzt ist die Mutter damit bechäftigt, die Durchreisenden auf dem Bahnhof mit Kaffee, Milch und dergl. Erfrischungen zu versorgen. Eines Tages fragt eine Bekannte ihn auf der Straße: „Na, Hänschen, was macht denn deine Mama?“ – „Die stillt die Soldaten!“ – entgegnete Hänschen stolz.

     – Auf einer Pariser Zeitungsredaktion. „Schreiben Sie: Vor Lüttich sind achtzigtausend Deutsche gefallen . . .“ „Aber – so viel waren überhaupt gar nicht dort!“ – „Schreiben Sie: Achtzigtausend gefallen. – Von diesen verdammten Prussiens kann man nicht genug aus der Welt schaffen!“

     – Der deutsche Grenzpfahl. Als die Franzosen an die deutsche Grenze gekommen, haben sie einen deutschen Grenzpfahl mitgenommen, haben in Paris, wie man uns berichtet, als Siegeszeichen ihn aufgerichtet. – Nur zu! Uns kann das nicht verletzen: Wir müssen die Pfähle ohnehin versetzen. –

     - Er schämt sich. Zwei Männer hatten Gelegenheit, in der Kaserne des 1. Garderegiments die Außrüstungsgegenstände der Truppen zu sehen, wie da alles bis ins kleinste bereit lag. Da wendet sich der Jüngere zum Älteren und sagt: „Weißt Du’ ich schäme mich jetzt, daß ich gegen die Wehrsteuer reklamiert habe!“


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1915. Piepersche Buchdruckerei, Clausthal 1915, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1915_031.png&oldid=- (Version vom 4.6.2019)