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Die Wand schloß sich hinter ihm mit Donnergetöse.

     Seit dieser Zeit ist der Bergmönch nicht wieder in die Gruben gekommen. Diese sind darauf alle überschwemmt. An der Stelle, wo der Bergmönch in den Felsen gegangen ist, war auf der Felswand das Bild des Berggeistes zu sehen.


     Auf dem Andreasberg hat sich früher in den Gruben ein gar merkwürdiges Wesen gezeigt, wie ein Ochse anzusehen; dann haben die Alten gesagt: „Calvör mit der Ochsenhaut geht um!“ Und damit verhielt es sich wirklich so.

     In ganz alter Zeit, als dort in den Gruben noch das Rotgülden gegraben wurde, ließ man keinen Bergmann aus der Grube, den man nicht am ganzen Körper untersucht gehabt hätte; so wertvoll war das Rotgülden. Da trug es sich zu, daß mehrere Bergleute nicht mehr aus der Grube zurückkehrten, auch war alles Suchen vergeblich. Und weil bald Tag für Tag Bergleute Fehlten, wurde die Belegschaft unruhig und verlangte nach Hilfe. Zwei mutige Bergleute erboten sich schließlich, in dem unheimlichen Stollen Obacht zu geben.

     Am ersten Tage merkten sie nichts. Doch am zweiten Tage merkten sie plötzlich ein unheimliches Brüllen, wie das eines Ochsen; in dem Augenblick kam auch ein gewaltiger Ochse aus dem Dunkel hervor und wollte sie in die Tiefe stürzen. Sie verstanden aber keinen Spaß, griffen zu den Fäusten und schlugen kräftig darauf los. Da hörte der Ochse auf zu brüllen und flehte sie mit einer menschlichen Stimme um Gnade an. Sie ließen sich auch erweichen; dann fiel die Ochsenhaut, und Steiger Calvör stand vor ihnen am ganzen Leibe zitternd. Er bat, sie möchten ihn doch nicht verraten, er habe ja die Bergleute immer erschreckt, ihnen auch das Rotgülden abgenommen und sie dann abgestürzt. Er bot ihnen Viel Schweigegeld, aber sie wollten den schnöden Lohn nicht und zeigten ihn an. Als sie ihn aus der Grube holen wollten, fanden sie ihn tief unten mit zerschmettertem Leibe; er hatte sich hinabgestürzt.

     Er fand aber noch keine Ruhe, sondern mußte lange Zeit umgehen; dann sagten die Bergleute: „Das ist Calvör mit der Ochsenhaut“.




Verfallener Stollen.
Von Karl Reinecke, Altenau.


     Im Holz ein uraltes Stollenloch,
Verlassen und vergessen.
Lang morschten Pfosten und Verzug,
Dreihundert Jahre, die fressen.

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     Ging alles drin zu Bruch.

Es stürzten First und Wange,
Und Brocke um Brock türmte sich hoch,
Verbaute Sohle und Gang.

     Da hinten drinnen irgendwo,

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Von Berg und Dunkel nun vermauert,

Ging eine Hoffnung einst zur Ruhe,
Hat wer auf Glück gelauert.

     Fand Erzstreifen nicht und Ader er? —
Die Stollenwasser fließen:

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Wer will nach dreimal hundert Jahr

Noch Schicksal und Geheimnis lösen.

     Das alte Mundloch guckt und sinnt,
Wie schlaflos, fluchbeladen
Und über dunklem Torweg spinnt

20
Die Kreuzspinne ihre Faden.


     Es rauschen Tannen drüber hin,
Vor’m Eingang Himbeeren nicken.
Es schlafen Kräte und Molch darin,
Es spielen im Sonnenschein die Mücken.

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     Vom First herab tröpfelt klitsch und klatsch

Geheimnisvolles Gefunkel,
Und Steine poltern pitsch und patsch —
Gespenster gehn im Dunkel.

     Drum horchen Farn und Fingerhut

30
Und Himbeeren hinein und harren,

Ob nicht ein Fäustel klampern tut
Und Schiebkarrenräder knarren.

     Ob nicht aus Dunst und Spinnengewebe
Ein Unschlittlicht noch leuchte,

35
Ob nicht der Berggeist, eine Fee,

Ein Wunder herauswärts brächte.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1931. Piepersche Buchdruckerei, Clausthal 1931, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1931_056.png&oldid=- (Version vom 2.11.2019)