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gewohnt hätte, und als ob sie einmal wieder in einen anderen Körper kommen werde. Der Wahn der Seelenwanderung hat in neuerer Zeit auch bei uns seine Gläubigen gefunden. Hochtönende Worte und doch so gedankenarm!

 Nein, mein Christ, der Mensch ist nur für seine Seele verantwortlich. Er hat nur an seine Seele Anspruch und Anrecht. Er hat nur an seiner Seele Schuld und Kraft, und alles andere ist Träumerei; Träumerei, die es nicht ernst mit dem Worte nimmt: Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat, ein Einzelwesen sonderlicher Art.

 Klingt es vermessen, wenn ich sage: ein solcher Mensch, wie du oder ich, kommt nimmer auf die Erde? Klingt es töricht, wenn ich durch die Blödenhäuser gehe, in denen so mächtiges Elend gehäuft ist, und sage: solch ein Mensch kommt nimmer auf die Erde? Nein, das ist nicht hochmütig und nicht vermessen und nicht töricht, sondern ein furchtbar ernster Gedanke: Wenn ich nun, der ich nur einmal über die Erde gehe und nimmer komme, nicht das ausrichte, wozu mich Gott gesandt hat, dann habe ich mein Leben verloren.

 Das ist der Ernst des Daseins. Das möchte man all den Leuten sagen, die ihr Leben als Genuß nehmen und, wenn der Genuß aufhört, ihr Leben verfluchen: dein Leben ist nicht eine Summe von Freuden, sondern dein Leben ist eine Kette von Pflichten. Das gibt auch dem Menschen eine ganz andere Kraft. Ich habe mit keinem