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sich die Leute mühen, Jesum allerlei Irrtümer nachzuweisen, aufzuzeigen, daß Er in dem und jenem Stück befangen war, dann muß ich sagen: was hilft mich das alles? „sie haben mir meinen Herrn genommen und ich weiß nicht, wo sie Ihn hingelegt haben.“ (Joh. 20, 13.) Und wem über diesem Leid nicht das Herz bricht, der weiß eben nicht, was es heißt, von dem Treuesten enttäuscht zu werden. Gestern um diese Zeit stand ein armes, altes Menschenkind vor mir und teilte mir mit beweglichen Worten mit, daß ein Mensch, dem das Vertrauen ihres langen Lebens gehört hatte, es grundmäßig getäuscht habe und nun habe sie allen Glauben verloren. Und ich sagte ihr: „Hat auch Jesus Sie getäuscht?“ Dann wollen wir miteinander den Tod suchen; denn das Leben ist dann nur eine große Narrheit. Jesus – das wagte sie nicht zu sagen –, Jesus täuscht nicht. Das ist gewiß wahr.

 Ihr dürft nur nicht mit der Voraussetzung an Ihn herantreten, daß Er täuschen muß. Ich weiß wohl, zu den größten Geistreichigkeiten gehört die absolute Voraussetzungslosigkeit. Wer ein wenig nachdenkt, wird mir zugeben, daß diese Voraussetzungslosigkeit die allergrößte Voraussetzung ist. Indem ich voraussetzungslos an den Jesus meiner Kirche herangehe, habe ich bereits die Voraussetzung, daß Er wie ein anderer beurteilt und behandelt zu werden nicht nur verdiene, sondern bedürfe. Nein, im 119. Psalm heißt es: „Zuvor aber weiß ich, daß deine Zeugnisse ewiglich gegründet sind.“ (Ps. 119, 152.) Zuvor, mit der Voraussetzung gehe ich an Jesus heran und die Voraussetzung wird nicht zuschanden. Darum rufe ich eurer Seele zu: „Der Himmel eures Lebens wird vergehen, die Sterne eures Lebens werden verlöschen und die Erde wird euch betrügen: laßt’s fahren dahin, sie haben’s kein Gewinn; Er ist wahr.“

 Das ist gewiß wahr. Was ist gewiß wahr? Erstens: daß Er mir und allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich oder, wie es der lateinische Katechismus übersetzt, gütig