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 Ich glaube trotz allem, trotz der Geschichte der Schmach, trotz allem, was einen Seelsorger, wo immer er sei, manchmal bis auf den Tod beschwert, trotz der niederbeugenden Erfahrungen: „Alle Jahre bin ich gekommen und habe Frucht an meinem Feigenbaum gesucht und fand sie nicht“ (Luc. 13, 6), – trotz allem: Ich glaube eine heilige Kirche. Es ist doch wundersam und ein Beweis für die eine heilige Kirche, daß bei unseren Glaubensgenossen in der Fremde, unsern Volksgenossen vor dem Feinde, auf einsamen Krankenlagern in Hütten und Palästen jetzt eine ganze Fülle von Gebetskräften entfesselt ist. Das macht der heiligen Kirche keine andere Vereinigung nach.

 In der Stunde, in der es durch die Kirche als Kunde geht: „Siehe, den du lieb hast, der ist krank!“ (Joh. 11, 3) wird eine Welt von Fürbitte lebendig. In der Stunde, in der es heißt: Tausende sind draußen gefangen, fern von dem Vaterlande, fern von der Heimatkirche, sie hören kein Glockenläuten, sie hören kein Gebet und haben kein Nachtmahl, treten viele ungekannt und ungesehen zusammen und beten. Ist das nicht Einheit? Ist das nicht Heiligkeit?

 Es war mir immer rührend, wenn ich in den vielen französischen Kirchen, in denen ich vor Wochen war, an den Türen der Sakristei angeschrieben las: „Wir ermahnen euch bei eurer Seligkeit, daß ihr mit Ernst betet für alle, die in den letzten Zügen liegen.“

 Welch eine Gemeinschaft, daß wir für Menschen, die wir nicht kennen, die wir nie gesehen haben, nur weil sie vor dem Tode sind, in Gemeinschaft vor den Herrn und Hirten ihrer Seele fürbittend treten!

 Es kann niemand geringer von der Kirche und ihrer Erscheinungsform denken, als ich. Und doch, je mehr man unter seiner Kirche leidet, desto mehr liebt man sie. Je mehr man von ihr enttäuscht wird, desto mehr glaubt man an sie. Je geringer ihre Gestalt ist, desto mehr betet und arbeitet man für sie.