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Fasson selig zu werden. Und wenn es nicht ein unordentliches Christentum ist, dann ist es wenigstens ein außerordentliches. Das ist doch etwas anderes, als das alte Christentum der Kirche, das jetzt schon 1900 Jahre wie ein bleierner Schlaf auf der einzelnen Seele, wie auf der Volksseele ruht. Außerordentliches Christentum – neue Zungen, neue Begeisterung, herrliche Gedanken, hochragende Einfälle, einen anderen Christus als den Christus der heiligen Schrift und der Kirche; es ist ein so menschlicher Christus, so ganz in den Farben glühend, die meine Phantasie ihm leiht, so ganz in dem Goldglanze leuchtend, den die fündige Hand ihm verleiht.

 Meine Christen, ihr habt die Wahl zwischen dem unordentlichen und außerordentlichen Christentum. Dabei will ich nur bemerken, daß alles Außerordentliche, das wir erwählen, unordentlich ist, es sieht nur außerordentlich aus. Ihr habt die Wahl: wollt ihr in einer ganz ungewohnten und ungeahnten Weise Christen sein, so würde ich euch einmal empfehlen, über die allern[e]ueste Erfindung nachzudenken, nämlich über das Christentum ohne Christusglauben. Das ist doch etwas ganz Neues, ganz Originelles: Christentum ohne Christusglaube – ein wunderbarer Einfall, der aber allen Ernstes jetzt von Theologen besprochen wird. Christentum ohne Christusglaube ist ungefähr so, wie Strom ohne Quelle, Baum ohne Wurzel, Blätter ohne Zweige, Früchte ohne Blüten. Das ist auch außerordentlich.

 Wir aber, die wir ein wenig Geschichte erfahren haben, Geschichte der Kirche und Geschichte des eigenen Lebens, wir, die wir wenigstens das eine gelernt haben, daß man an sich selber zu schanden wird, wir überlassen die unordentlichen Wege den Geistreichen und die außerordentlichen Wege den Herren und gehen den ordentlichen Weg, von dem Einer gesagt hat: „Das ist der Weg, denselbigen wandelt, sonst weder zur Rechten noch zur Linken.“ (Jes. 30, 21.) Wie heißt der ordentliche Weg? Er