Seite:Hermann von Bezzel - Der Beruf der evangelisch-lutherischen Kirche zum Amt der Diakonie.pdf/60

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Sünde derer, die es treiben, ist doch etwas Grandioses, weil festgegründet in der Lehre.

 Ebenso ist es mit der inneren Mission: es geschah nichts einzelnes, aber „wer vieles bringt, wird allen etwas bringen.“ Hat nicht Wichern mit Recht die gesamte Reformation einen Hauptakt der inneren Mission genannt? Nicht viel Anstaltliches, aber Anregung allenthalben.

 Drei Jahrhunderte bedurfte es, um in der Kirche das Amt der Barmherzigkeit zu gründen; denn der Pietismus war nicht im Stande, die Diakonie lebendig zu bringen. Dazu war bei ihm, wie wir sahen, alles viel zu fließend, er hat seine Stärke, aber auch seine Schwäche in dem Vereinzeln der Persönlichkeit, in dem Sich zurückziehen auf einzelne erweckte Kreise. Er vergißt, daß hier eine Gemeinde von Sich Heiligenden, nicht eine Gemeinde von Heiligen ist, und weil er mit diesem Faktor nicht rechnet, darum ist er nicht fähig gewesen, solche Gründungen hervor zu rufen.

 Es hat in unserer Kirche beinahe drei Jahrhunderte gewährt, bis der Herr ihr die Türe auftat. Werden wir uns schon aus äußeren Gründen mehr bei der Geschichte unseres Hauses aufhalten, weil die Gründungsgeschichte der andern lutherischen Diakonissenhäuser uns ferner liegt, so noch mehr aus dem tieferen Grunde, weil die Gründung des hiesigen Hauses genuin lutherischen Anschaungen entwachsen ist. Gerade 300 Jahre seit den abschließenden Bewegungen unsrer Kirche, nach dem Augsburger Religionsfrieden hat der Herr an hiesigem Orte die Gnade der Diakonie geschenkt. Seit Karls des Großen Zeit hatte man den Namen Diakonisse nicht mehr in der Kirche gehört, tausend Jahre also waren vergangen, seit man den Namen Diakonisse zum letztenmal vernommen. Wenn nun auch die von Preußen aus, von frommen, erweckten, reformierten Persönlichkeiten herrührende Bewegung früher vorhanden war, wenn der unvergeßliche Fliedner 18 Jahre vor Löhe sein Werk begann, so haben doch diese beiden Werke von