Seite:Hermann von Bezzel - Der Dienst des Pfarrers.pdf/98

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Klagen. Du aber fertigtest sie kurz ab, weil ein Buch dich fesselte. – Es ist gnadenvoll von Gott, daß er dem Diener die Reue so schnell erweckt. Die Seele aber spreche: Was hilft mir Ehre und Einfluß, Gewinn und Ansehen, wenn ich an mir selbst verkümmere! Die Stille der Abendstunde nach schwerem Tagewerk treffe uns bei der Buße, die in die Vergebung flüchtet. „Allen Seelenschaden deck’, Jesu, nun in Gnaden mit deinem Purpurmantel zu!“ Und aus der Reue komme das Gebet: Mache dem Gedanken bange, ob das Herz es redlich mein, ob ich treulich dir anhange, ob ich scheine oder sei. –

.

 2. Die Seelsorge in der Gemeinde, a) bei den Gesunden. Ziehet an, Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen. (Kol. 3, 12). Das ist die Rüstung, die einzige, welche der Herr seinen Knechten für das schwerste Amt mitgegeben hat, wie er sie selbst trug, als ihn das Volk jammerte (Matth. 9, 36). Aus diesem Mitleide hat er jede Frage angenommen und jeder Klage sich erbarmt, ob auch die Trauer um vergebliche Arbeit über ihn kam und er denken mußte, umsonst gearbeitet zu haben. Aus diesem Mitleide hat er als sein letztes seelsorgerliches Wort vor Gethsemane gesprochen, in das er das Ergebnis aller seiner Beobachtungen und die Begründung seiner Arbeit gelegt hat: In der Welt habt ihr Angst. Von dieser Voraussetzung soll der Seelsorger ausgehen, ob er in die geringe Hütte oder in den glänzenden Palast eintritt: – Hier ist Welt, so oder anders geartet, und wo Welt ist, da ist Angst und Enge, Bedrängnis und Drangsal. – Auf dem Dorfe sollte der Pfarrer alle Jahre seine Gemeindeglieder besuchen und