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Ihr habt für das äußere Leben so gut gesorgt und allerlei wichtige Vorbereitungen dafür getroffen, so sorgt auch für das Innenleben! Und den Taufstein möchte ich in unseren Gemeinden mehr umkränzt sehen vom Dank der Eltern, mehr umblüht vom Lob der Verwandten. Ich möchte nicht die Taufe zu einer dürftigen Zeremonie ohne Weihe und Wert herabgesetzt wissen, zu der sich die Väter nicht mehr einfinden, von der die Mütter fernbleiben, bei der die Taufpaten nicht mehr einkehren, so daß der arme Diener der Kirche mit einem armen Kind ganz allein steht, das weder Vater noch Mutter zu diesem wichtigsten Akt seines Lebens geleiten.

 Wenn das Kind in der Taufe seinem Herrn und Heiland an’s Herz gelegt und von ihm das Gelübde bezahlt ist, er wolle sich seiner Herde selbst annehmen, dann setzt nach dem Christuswort, das nicht dem Mechanismus Vorschub leistet, sondern die Arbeit segnet, eben die große ernste Arbeit der Erziehung sein. Denn als der Herr seine Jünger mit dem Werk der Taufe betraute, hat er nicht dieses Sakrament isoliert, es wie einen hohen Bergkegel, der aus der Niederung einsam hervorragte, eingesetzt, sondern hat sie geheißen, durch Taufe und Erziehung, durch Anfang und Fortbau all die Kinder zu seinen Jüngern zu machen.

 Wenn die Kirche das Taufsakrament ganz entwerten will, dann fahre sie weiter, ohne Wahl und ohne Unterschied das Taufwasser wie ein schlichtes geringes Wasser hinzusprengen, dann fahre sie fort, nicht mehr um die Hausaltäre der christlichen Erziehung sich zu mühen. Daß wir hohe Prozente der Taufzahl haben, kann niemanden eine Stunde in schlafarmer Nacht erleichtern und daß unsere Taufsteine noch von verschiedenen Kreisen umlagert sind, kann dem keinen Trost geben, der da sieht, wie die Erziehung ihre Voraussetzung verleugnet und wie der Fortgang des Lebens dem Anfang des Christenstandes nicht im mindesten entspricht. Darum, christliche Eltern, christliche Freunde der Jugend, auf die Taufe des Kindes folgt die Erziehung zuerst durch das Vorbild. Als ein großer Denker gefragt wurde, welch’ negativer Trieb sich im Kinde zuerst entfalte, sagte er: „der Zerstörungstrieb“, und welcher positive, gab er den Bescheid „der Nachahmungstrieb“. – Sie wissen es alle, das Kind sucht nach wenigen Tagen sein Eigentum zu zerstören, um des Zerstörten sich mehr zu freuen als des Unverletzten. Es ist das nicht ein rein äußerlicher Prozeß, wie manche sagen, sondern Nachwirkung aus dem verlorenen und versäumten Paradies, aus dem verscherzten Kindesleben heraus, das zur Heiligkeit der persönlichen Freiheit sich erheben sollte. Das Kind, der Mensch, will seines Glückes nie froh werden, ehe er es zerstört hat und den süßen Schmerz genießen, auf Trümmern zu weinen. Das Kind kann nie der ersten Habe und Gabe sich recht annehmen, es sei denn beides zerstört und zerpflückt, damit es dann den einzelnen Teilen eine besondere Liebe zuwende, wenn das Ganze seinem Auge entfällt und sein Herz ihm gram wird.

 Aber wie dieser Zerstörungstrieb im Kind, erwacht als erstes Positives, Leben behauptend und Leben bestellend, der Trieb der Nachahmung, nicht der Nachfolge. Die Nachfolge ist ein ethischer Begriff,

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Die Pflege der Kindesseele. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1918, Seite 07. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_Pflege_der_Kindesseele.pdf/7&oldid=- (Version vom 8.9.2016)