Seite:Hermann von Bezzel - Einsegnungs-Unterricht 1909.pdf/68

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Welt sich Persönlichkeiten entzieht; sie dürstet nach ihnen und sehnt sich immerdar nach solchen, in denen der Geist Gottes Gestalt gewonnen hat. Darum: Wie wird man eine Persönlichkeit? Personen sind wir geworden ohne unser Zutun; Persönlichkeiten aber müssen wir werden durch den Ernst der Heiligung. Der allein kann eine Persönlichkeit werden im Sinne Jesu, der sich selber in strenge Zucht nimmt und je länger je weniger etwas für sich begehrt. Der Mensch, der fleißig den Todesgedanken in sich trägt und die ganze Ironie dessen, was man Leben heißt, auf sich wirken läßt, der Mensch, der auf all den Tand und all den Flitter, welcher vergeblich dieses Leben vor der Todesgewalt beschützen will, lächelnd schaut und es bei Seite legt, der Mensch kann mit Gottes Kraft eine Persönlichkeit werden. Der Mensch, der nie ängstlich berechnet: was mache ich für einen Eindruck, was spiele ich für eine Rolle und was mache ich für eine Figur? sondern der im Seufzen nach der Gnade, die da behütet, und im Ringen nach der Güte, die da geleitet, ohnmächtig vor Gott und stark vor den Menschen ist, der wird mit Gottes Hilfe eine Persönlichkeit. Und nur Persönlichkeiten können – noch einmal sei es gesagt – seelsorgerlich wirken, denn sie wirken Nachfolger. Das ist es, wenn wir unser Leben ansehen, was wir am allermeisten haben als Einziges, das da bleibt: Gott hat uns unter den elementaren Einfluß von Persönlichkeiten gestellt. Es überkam uns zunächst der kraftvolle Widerspruch gegen diese unbewußte Einwirkung. Wir wollten uns ihrer erwehren und entschlagen; es war als ob ein Angriff auf unsere Selbständigkeit gemacht würde, auf diese sogenannte Selbständigkeit; aber wenn wir den Persönlichkeiten uns ergaben, wurden wir es selbst. Diese Persönlichkeiten brauchen nicht einmal mehr zu leben. Es gibt Persönlichkeiten, die man nie gekannt hat – ich erinnere nur an Paulus und an Luther – die aber in dem Moment leben, als man sich der Gewalt ihres Wesens erschließt. Ich könnte mir nie eine wirklich evangelische Christin denken, die nicht in elementarer Weise von diesem armen Bergmannssohn und Mönch hingenommen wäre. Es ist dies eine Kraft, der man sich ungestraft nicht entzieht. Das ist die Gewalt, die da unter dem Kreuze zusammengebrochen, das Kreuz des Lebens trägt, das ist der Mut, der da vor seinem Herrn sich wand wie ein armer Wurm, um dann mit starkem Antlitz hinauszutreten an und gegen eine ganze Welt. So innerlich von Persönlichkeiten ergriffen, von diesem Gedenken an die Männer, die uns das Wort Gottes gesagt, ob wir sie gleich nie hörten – so wird man zur Persönlichkeit. Kann man sich dazu erziehen? Nein, was man macht wird nichts, was man erkünstelt erweist