Seite:Idealisten 46 42.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

„Das beabsichtigte ich auch nicht – ich wollte Ihnen nur zu bedenken geben, daß sich an dem Glück, von einem so seltnen Geschöpf so innig und rückhaltlos geliebt zu werden, wie es Ihnen widerfährt, auch der Beste und der Verwöhnteste berauschen darf!“

Curt nickte nur. „Alles sehr schön, doch das müssen Sie mir nicht sagen. Ich hasse die starken Ausdrücke, weil sie unablässig gemißbraucht werden, während man doch so sparsam und vorsichtig als möglich mit ihnen umgehen sollte, von diesem Mädchen aber könnte ich nur in Hyperbeln sprechen und alle Besonnenheit würde einen Brief über sie nicht vor dem Schicksal bewahren, von aller Welt für einen Hymnus erklärt zu werden. Ich wußte auch, daß Sie entzückt von ihr sein würden, da ich sicher sein konnte, daß sie Ihnen, meinem Freunde, freundlich begegnete, was ich also von Ihnen zu wissen begehre, ist –“

Er stockte und ich ergänzte: „ob es mir gelungen ist, sie zum Sprechen darüber zu bringen, warum sie Bedenken trägt, Ihre Frau zu werden, die Frau dessen, den sie doch abgöttisch liebt?“

Curt hatte den Kopf in die Hand gestützt und sagte müde und melancholisch:

„Nun ja, aber es ist eine Thorheit von mir, Sie zu examiniren – hätte sie Ihnen Günstiges gesagt oder auch nur greifbare Gründe angeführt, Sie hätten längst Ihren Rapport erstattet – von freien Stücken.“

„Aber lieber Freund, jetzt lassen Sie die gewöhnliche besonnene Ueberlegung vermissen. Haben Sie wirklich geglaubt, ich würde die Courage haben, diesem Mädchen in den ersten Stunden unseres Bekanntseins so zarte Fragen vorzulegen? Haben Sie wirklich geglaubt, sie würde solche Fragen beantworten?“

„Der Gedanke ist allerdings zum Lachen, denn Leontine würde auch einem Keckeren, als Sie, imponiren, aber sie konnte sehr wohl die Auseinandersetzung provoziren, wenn es ihr erwünscht schien, lieber Ihnen als mir ihre Gründe zu nennen, und auf eine solche Geneigtheit ihrerseits hatte ich halb und halb gehofft – das war’s, lieber Reinisch.“

„Gut also! Für mich konnte es sich nur darum handeln, das Mädchen persönlich kennen zu lernen, um zu einer festen Ueberzeugung darüber zu gelangen, ob sie in jeder Beziehung dem Bilde entsprach, das ich mir von Ihrer Frau nothwendig machen mußte, ob ihre Person mir eine Gewähr bot für Ihr Lebensglück. Diese Gewißheit habe ich erlangt und da sie diesen reizbaren, nervösen, ungeduldigen Menschen da ganz unvernünftig liebt, so wird sie schließlich gewiß so vernünftig sein, ihn zu heiraten, da er’s nun einmal so haben will. Glauben Sie mir, Ihre – allerdings sehr verzeihliche – Ungeduld sieht viel zu schwarz und traut einem Mädchenwillen, der doch nur dazu da ist, gebrochen zu werden, die Stärke des eignen zu. Was soll sie schließlich auch Stichhaltiges dagegen einzuwenden haben, die Frau des liebenswürdigsten, geistvollsten, solidesten und – verliebtesten jungen Kriegsmanns zu werden, der je das ‚F.J.1.’ in der Kokarde trug!?“

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Idealisten. , Leipzig 1880, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Idealisten_46_42.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)