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Alle lachten, nur Born, der sonst ein so dankbarer Zuhörer und in Bezug auf die Qualität eines Scherzes höchst anspruchslos war, machte ein ziemlich sauertöpfisches Gesicht und schien von Arvenbergs Bericht sehr wenig erbaut zu sein. Das blieb natürlich nicht unbemerkt und Wendt spottete nicht ohne einen Anflug von grausamer Schadenfreude:

„Aber da lachen Sie doch, Born – oder sind Sie schon eifersüchtig auf Arvenberg und finden Sie, daß man gegen den Kritiker noch liebenswürdiger war, als gegen den Dichter? Das wäre das allerverkehrteste, wenn Sie entschlossen sind, der Walujeff minniglich zu huldigen und dieser Dame Troubadour zu werden, müssen Sie der Eifersucht ein für allemal entsagen, sonst haben Sie keine ruhige Stunde. Sie nimmt nun einmal unter keinen Umständen Rücksicht auf männliches Empfinden und merkt sie, daß jemand eifersüchtig wird, so kommt die Katzennatur zum Vorschein und sie treibt’s nur immer toller – rein aus Uebermuth. Ruhig Blut also, mein Herr Nebenbuhler, und eine kalte Miene, wie es auch innerlich kochen möge! Uebrigens sind Sie gegen mich im Vortheil – Sie sehen ja nichts und sie muß es schon sehr deutlich machen, wenn Sie bemerken sollen, daß sie unter Ihren Augen mit einem andern kokettirt; ich wollte, mir würde’s auch so wohl.“

Born verstand aber an diesem Abend ganz und gar keinen Spaß; er erwiderte ärgerlich:

„Ich weiß nicht, ob Sie das alles für besonders geistreich halten – mir kommt es herzlich lahm vor. Anzunehmen, daß ich mich in Ihre Russin vergafft hätte, ist einfach ein Blödsinn – lassen Sie mich also mit solchen Anspielungen ungeschoren; ich habe keine Lust, immerfort Reitpferd zu sein. Uebrigens glaube ich die Dame besser zu kennen als Sie und kann Ihnen versichern, daß sie keineswegs eine alltägliche Kokette ist; sie kann sehr ernsthaft und verständig sein, sie hat ein feines Kunstverständniß, sie zeigt Sinn und Empfänglichkeit für alles Schöne und Hohe, und daß ihre Bildung eine einseitig französische ist, daß sie vieles von unseren besten literarischen Schätzen kaum dem Namen nach kennt, erscheint mir unter den gegebenen Verhältnissen fast als ein Vorzug – ich habe infolge dessen das Vergnügen, sie in eine ihr neue Welt einzuführen und dieses Vergnügen könntet ihr mir wohl gönnen. Sollte ich die Marotte bekommen, mich in sie zu verlieben, so würde ich es ja sein, der den Schaden zu tragen hätte, nicht ihr, und ich würde dabei obendrein nur thun, was ihr mir so oft schon in allen Tonarten angerathen habt; dem Mangel an Aufregung wäre ja dann mit einem male abgeholfen und zwar gründlich.“

„Born,“ rief Lindner, „das war die längste und schönste Rede, die du in deinem ganzen Leben gehalten hast – sie verband attisches Salz mit christlich-germanischer Salbung. Im übrigen schlage ich vor, daß Born bereits verliebt ist und zwar verliebt wie eine Tümpelkröte.“

„Das wollen wir doch einmal erst sehen,“ meinte Arvenberg listig, ohne sich durch des armen Born ungeduldige Handbewegung auch nur einen Moment irre machen zu lassen. „Hat Ihnen die Dame, die wir zu dritt lieben – Sie sind doch dabei, Wendt? – nicht gesagt, daß sie für das germanische Blondhaar und die Ehrenpreisbläue des deutschen Auges stets eine Schwäche gehabt habe, und sind Sie Sich dabei nicht instinktiv mit allen fünf Fingern durch die saubere Frisur gefahren, daß Sie nachher zwei Stunden zu bürsten hatten, um die alte Adrettheit nur nothdürftig wieder herzustellen?“

„Ist ihr gar nicht eingefallen,“ knurrte Born, dessen Geduld allmälich löchrig wurde.

„Dann habe ich sie also doch zu hart beurtheilt, oder es kommt noch,“ erläuterte Arvenberg; „mir hat sie nämlich erklärt, daß sie stets eine Vorliebe für die Juden gehabt habe, die ohne Ausnahme gescheite Leute seien, witzig, schlagfertig, scharfsinnig – d. h. nur die Männer – und daß diese Vorliebe vielleicht mit der für schwarzes Haar und schwarze Augen zusammenhänge. Ich nahm an, sie werde Blondins gegenüber die entgegengesetzte Taktik befolgen; die Spekulation auf männliche Eitelkeit ist bekanntlich noch lange nicht die schlechteste.“

Born sah den Sprecher nur an und suchte so viel Indignation in diesen Blick zu legen, als sich mit seiner unverwüstlichen Gutmüthigkeit und seiner echten Freundschaft für Arvenberg nur irgend vertrug. Lindner aber meinte:

„Die Sache steht also so: ‚Die rundliche Schleie Wendt und der Stachelbarsch Born haben angebissen, der Hecht Arvenberg wird nächstens zuschnappen.‘“

„Und der biedre Karpfen Lindner wird, ungewarnt und ungewitzigt, sogar den köderlosen Haken verschlucken,“ ergänzte Reinisch – „wir werden’s uns wiedersagen, ehe der Herbstwind das welke Laub über die Stoppeln jagt.“

Lindner schüttelte sehr bestimmt den Kopf und meinte trocken:

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Idealisten. , Leipzig 1880, Seite 577. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Idealisten_49_49.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)