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Man lispelt mit dem Mündchen,
Man knixt und geht hinaus
Und mit dem neuen Sündchen
Löscht man das alte aus.

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Gelobt sei Gott auf Erden,

Der hübsche Mädchen liebt
Und derlei Herzbeschwerden
Sich selber gern vergiebt!
So lang noch hübsch mein Leibchen,

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Lohnt sich’s schon, fromm zu sein:

Als altes Wackelweibchen
Mag mich der Teufel frein!


Das nächtliche Geheimniss.

Gestern Nachts, als Alles schlief,
Kaum der Wind mit ungewissen
Seufzern durch die Gassen lief,
Gab mir Ruhe nicht das Kissen,

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Noch der Mohn, noch, was sonst tief

Schlafen macht – ein gut Gewissen.

Endlich schlug ich mir den Schlaf
Aus dem Sinn und lief zum Strande.
Mondhell war’s und mild – ich traf

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Mann und Kahn auf warmem Sande,

Schläfrig beide, Hirt und Schaf: –
Schläfrig stiess der Kahn vom Lande.

Eine Stunde, leicht auch zwei,
Oder war’s ein Jahr? – da sanken

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Plötzlich mir Sinn und Gedanken

In ein ew’ges Einerlei,
Und ein Abgrund ohne Schranken
That sich auf: – da war’s vorbei! –

Morgen kam: auf schwarzen Tiefen

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Steht ein Kahn und ruht und ruht – –
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Nietzsche: Idyllen aus Messina. E. Schmeitzner, Chemnitz 1882, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Idyllen_aus_Messina-Nietzsche-1882.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)