Seite:Illustrirter Deutscher Jugendschatz 69.jpg

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bis sie abgemattet und erschöpft das dürftige Lager aufsucht. In den großen Städten freilich herrscht in den späteren Nachmittagsstunden reges Leben, hier entfalten europäische Damen und Herren einen Luxus, der unverständlich wäre, wenn man nicht wüßte, daß viele Millionen brauner Hände für den weißen Mann fast umsonst thätig sein müssen. Versetzen wir uns in eine größere Stadt an der Meeresküste. Auf einem freien Platze spielt eine Militärkapelle ihre lustigen Weisen. Von Nah und Fern sind die europäischen Herrschaften in ihren Equipagen herangefahren. Gefahren? Nein, geflogen, denn der Europäer kennt hier als gewöhnliche Gangart nur die rasende Carriere. Mit sechs und acht Pferden kommen sie in ihren prächtigen Carrossen angallopirt, jedes Pferd wird von einem inländischen Läufer geführt, dessen zwei Beine mit den vieren eines Pferdes gleichen Schritt halten müssen. Die Leute keuchen bei dem wilden Lauf, doch rührt das die Europäer wenig, die den Menschen mit brauner Hautfarbe nicht als ihres Gleichen betrachten. Auf dem Platze angekommen lassen dann die Damen ihre Pariser Toiletten bewundern, deren jede einzelne hier ein Vermögen repräsentirt. Und wenn dann nach kurzer Dämmerung der Abend hereinbricht, dann erstrahlen die vornehmen Häuser in einem wahren Lichtmeer, braune Diener in ihrer malerischen Landestracht warten mit in Eis gekühlten französischen Weinen auf, und die braunen, zartgebauten Dienerinnen fächeln ihren weißen Herrinnen mit großen Palmenwedeln frische Luft zu.

Draußen aber sieht der Mond herab auf die schlummernde Erde, und in seinem Gefolge glühen und blinken die Millionen und Milliarden farbiger Sterne des südlichen Himmels. Ein kühler Wind, der einen scharfen Contrast gegen die Gluthitze des Tages bildet, streicht über das Gelände und treibt die gespensterhaften, langen Nebelstreifen über die Sumpfflächen. Sie bringen das schleichende Fieber mit sich und tragen es weit hinaus in das Land, und tückisch fällt die böse Krankheit in die Hütten und rafft Jung und Alt dahin. Und ebenderselbe Wind entführt aus den Sümpfen die Pestmiasmen, er schleppt die Cholera, den erbarmungslosen Würgengel, in die Häuser. Große Fledermäuse eilen geräuschlos wie auf Geisterfittigen durch die Nacht, heisere Eulen lassen ihren Grabesruf erschallen und der Schakal sucht im Dunkel der Nacht sich an den Resten zu sättigen, die der Tiger von seinem Mahle übrig gelassen hat. Die Natur liegt in banger, starrer Ruhe da, bis sie das leuchtende Gestirn des Tages zu neuem Leben erweckt.


Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Ein Tag auf Mitten-Java. Verlag von E. Thiele, Leipzig 1887, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirter_Deutscher_Jugendschatz_69.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)