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der Kultur sind, man empfindet sie als eine köstliche Wohltat. Wieder einmal in einem gemütlichen Stübchen zu sitzen, in einem reinen Bett zu schlafen, schon das erste warme Bad in Breslau war eine wundersame Wonne.“ Lachend verabschiedete sich Fräulein Anna, und Frau Kerner geleitete sie nach der Haustüre.

Etwas Gutes, dachte Herr Kerner, hat der Krieg für mich gehabt: Daß die böse Flamme, die einst in mir für Fräulein Annchen brannte, völlig erloschen ist. Wer weiß, welcher Brand ohne den Krieg entstanden wäre! Ihm war ähnlich zumute, wie vor einer Woche, als er sich aus dem fürchterlichen russischen Walde herausfand. „O weh“, sagte er zu sich selbst, „wäre der Krieg nicht gekommen, ich hätte ja meinen besten Kameraden, meine Frau, verraten.“ Zugleich ging ihm eine prächtige Aussicht auf: „Sie, dein bester Kamerad, steht doch wie keine auf der Höhe der Kultur, sie kann dir durch Vorarbeiten, durch Anstreichen des Wichtigsten in den Büchern, durch Besprechung aller Kulturfragen, später helfen, trotz aller Zugeständnisse an den Frondienst des Erwerbs wieder zu menschenwürdigem Denken, zu einem geistigen Leben zu gelangen. Wenn sie als Hohepriesterin das Feuer des Geistes hütet, kann es auch dir Licht und Wärme geben.“

Frau Kerner kam zurück. „Du bist ein netter Bruder“, scherzte sie, „du rühmst das warme Bad, das reine Bett, das Zimmer als Segnungen der Kultur, aber von deiner Frau sagst du nichts. Du hast wohl wieder an Rußland gedacht?“

„Nein, nur an dich.“

„Sehr schmeichelhaft, was denn?“

„Ich dachte: Im Kriege schützen wir die deutsche Kultur, aber wir selbst wühlen uns immer mehr aus ihr heraus. Wenn ich heimkomme, wieder reisen muß, vielleicht“ — er lächelte — „in Havannaimporten, Schokolade oder Parfümerien, — dann fördere ich, wie man zu sagen

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)