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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

leite die Herzen zum Frieden! Hüten wir uns den Grundsatz aufkommen zu lassen: Es muss recht schlimm werden, ehe es wieder gut werden kann!“

(Wird fortgesetzt.)
2. Das Elementarschulwesen in Oberschlesien.

 Bei dem Kampfe, der gegenwärtig zwischen dem polnischen und deutschen Nationalelemente in Oberschlesien erwacht ist, und der in mehreren deutschen und slawischen Zeitschriften von verschiedenem Standpunkte aufgefasst, nicht selten mit Heftigkeit und Bitterkeit fortgeführt wird, kommen uns die vom Oberlehrer Joseph Heimbrod in Gleiwitz herausgegebenen „Beiträge zur Kenntniss des Elementarschulwesens Oberschlesiens von 1764 bis 1838“ wie gerufen. Der Verfasser kann gar nicht anders, als es höchst rechtlich und nothwendig finden, dass diese polnischen Einwohner je eher je besser vollständig germanisirt werden. Diese ruhige klare Ueberzeugung lässt ihn denn nicht bloss jede Massregel zu diesem Endzwecke höchst lobenswerth erscheinen, sondern es presst ihm sogar allemal einen Herzensseufzer ab, wenn er sieht, wie wenig das deutsche Element um sich greife. Schon bei dem Jahr 1178 beklagt er (S. 3), dass das Deutsche nicht genug Einfluss auf Schlesien nehmen konnte. In einer geographischen Uebersicht giebt er dem Regierungsbezirke Oppeln (Oberschlesien) 248½ Meile Flächenraum und 818,346 Einwohner. Wie viel darunter Slawen sind, bestimmt er nicht weiter (Schafarik zählt 44,000 Mährer in Oberschlesien, die Polen giebt er ebenfalls nicht an). Doch giebt er zu, „der bei weitem grösste Theil der Bewohner dieses Regierungsbezirkes ist polnisch und spricht polnisch“, so dass man demnach wohl eine halbe Million Slawen annehmen kann. Auf der rechten Oderseite ist „im Ganzen das Slawenthum noch vorherrschend in Sprache und Sitten, namentlich bei feierlichen Gelegenheiten, als Hochzeiten, Kindtaufen, Kirchweihen u. s. w. Dieser Unterschied ist auch die vorzüglichste Ursache, dass der polnische Oberschlesier dem Deutschen nicht recht gewogen ist, und besonders bei richterlichen und andern öffentlichen Verhandlungen, selbst wenn ihm das Verhandelte durch einen vereideten Dolmetscher übersetzt wird, sich beeinträchtigt glaubt.“ Unter der östreichischen Herrschaft wurde es nach des Verf. Meinung gewiss für eine Nebensache gehalten, Schlesien zu germanisiren; „sobald aber Schlesien preussisch geworden, war es stete Bemühung der Regierung, die deutsche Sprache immer mehr und mehr zu verbreiten.“ Schon Friedrich der Grosse erliess dahin bezügliche Befehle. „Seit jener Zeit sind die Befehle, die Einführung und Einübung der deutschen Sprache betreffend, stets erneuert worden. Aber noch bis diesen Augenblick, obgleich Schlesien jetzt hundert Jahre preussisch ist, ist die polnische Sprache bei dem grössten Theile der Einwohner die Muttersprache, und obgleich nicht geläugnet werden kann, dass durch die steten Bemühungen der Regierung, die deutsche Sprache immer mehr einheimisch zu machen, durch die Militaireinrichtungen, wo die jungen Oberschlesier in deutsche Provinzen als Soldaten geschickt werden, durch die von Jahr zu Jahr verbesserte Einrichtung der Elementarschulen, viel Deutsch nach Oberschlesien gekommen ist, so ist der gemeine Mann polnisch, und wenn er ja auf der Schule oder als Soldat etwas deutsch gelernt hat, so verlernt er diess wieder in seiner Heimath, und es werden daher nur Wenige angetroffen, die im Stande sind, sich deutsch zu unterhalten. Bei dem weiblichen Geschlecht ist diess noch weit mehr der Fall.“ Seit dem Jahre 1816 dient das gleichsam im Mittelpunkte des polnischen Oberschlesiens gelegene Gymnasium zu Gleiwitz, welches grösstentheils polnische Schüler zählt, als Centralpunkt für die Germanisirung Oberschlesiens. Es sollen zwar nur Schüler, die gut deutsch sprechen, lesen und schreiben können, in diese Anstalt aufgenommen werden, allein bei Bauerssöhnen ist das nicht möglich, streng durchzuführen; „und die Erfahrung hat gelehrt, dass solche Knaben binnen Kurzem recht[WS 1] gut Deutsch lernten, und ihre deutschen Mitschüler nicht allein einholten,

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/141&oldid=- (Version vom 10.10.2019)