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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Stunden im Kreise ihrer Freunde aus den entliehenen Büchern vor — auf den Gesichtern derer, die nicht lesen können, malt sich dann Traurigkeit, dagegen die, welche des Lesens fähig sind, sich mit stolzer Freude erfüllen. Die Lust zum Lesen ist so gross, dass sie die „Sonntagsschule“ (eine in Lissa wöchentlich erscheinende Schrift religiösen Inhalts, woran aufgeklärte Geistliche arbeiten) gar nicht mehr aus den Händen geben möchten. Hiermit stimmen die Berichte vieler Dorfschullehrer vollständig überein. — Indem wir die schönen Früchte bemerken, die aus dieser erfreulichen Richtung gedeihen, so wenden wir die Aufmerksamkeit der Direktion darauf hin, und geben ihr anheim, die Kreiskomitées zur Beförderung dieser Bestrebungen mit den nöthigen Geldmitteln zu versehen. Folgende Werke dürften sich vorzüglich zu einer wohlfeilen Büchersammlung eignen: 1) der Pilger in Dobromil; 2) Unterricht für Hausleute; 3) Schatzkästlein für Stadt und Land; 4) die Sonntagsschule; 5) Centralschrift für Mässigkeit; 6) Beispiel-Sammlung; 7) das goldne Thal; 8) der Volksfreund; 9) der gute Franz und der böse Kostus; 10) Eustachius; 11) der christkatholische Religionsunterricht; 12) Büchlein für Stadt- und Landschulen.“

 Im Sinne dieses Antrags wurde sogleich eine Kurrende an die Kreiskomitées erlassen, damit so bald als möglich mit Hülfe der Gutsherren, Geistlichen und Lehrer solche Leseanstalten ins Leben gerufen würden. — Für so treffliche Leistungen erhielt der Verein auch in Kurzem nicht nur aus den Kreisen und von Privatleuten die Zeichen der deutlichsten Anerkennung, sondern auch die Behörden sprachen dieselbe aus. Im August d. J. ging der Direktion ein Schreiben des Provinzial-Schulkollegiums vom Regierungs-Vicepräsidenten Herrn Grafen Itzenplitz unterzeichnet, zu, worin es heisst:

 „In unserm Verwaltungsberichte über das höhere Schulwesen des Grossherzogthums Posen haben wir nicht unterlassen können, der erfolgreichen Thätigkeit und der — so viel uns bekannt — wohlthätigen Folgen des Vereins zur Unterstützung der lernenden Jugend zu gedenken. Der Herr Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten hat davon gern Kenntniss genommen und uns beauftragt, der geehrten Direktion des Vereins seine ehrende Anerkennung auszusprechen.“

 Unter so freundlichen Auspicien ist dem Verein, bei dem sich fast der ganze Adel und die ganze Geistlichkeit des Grossherzogthums betheiligt hat, dessen Direktion Männer von äusserem Einfluss und den besten Gelehrten als Vorsitzende in Händen haben, wohl ein dauerhaftes, segensreiches Gedeihen vorherzusagen. Dabei möge aber Niemand übersehen, welche ausserordentlichen Aufopferungen nöthig waren, um den in unserer Provinz so üppig wuchernden Pauperismus in den niederen Ständen zu bewältigen, und mögen sich besonders jene von Polen bewohnten Provinzen ein Beispiel daran nehmen, denen grössere Vorarbeiten zu Gebote stehen.

M.
4. Bibliographische Uebersicht der Sammlungen slawischer Volkslieder
Von P. J. Schafarik.

 Die Zahl der Sammlungen slawischer Volkslieder war vor zwanzig Jahren noch höchst unbedeutend, im laufenden Decennium jedoch vermehrte sie sich um

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/331&oldid=- (Version vom 14.9.2022)