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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Entschuldigungsgründe der Magyaren werden dann zurückgewiesen, und die Vorwürfe gegen die Slawen beantwortet; der Panslawismus, wie er sich in Ungarn darstellt, näher gewürdigt und zuletzt das wahre Resultat hingestellt: „Die Verschiedenheit der Sprachen in Ungarn kann nie die Einheit in der Nationalität (Liebe zum Vaterlande) gefährden, so lange sie Ein Vaterland, dieselbe Freiheit, dieselbe Möglichkeit, die eigenthümlichen Geisteskräfte zu entwickeln, verbindet. Der sechste Brief vertheidigt die Absendung der bekannten Deputation der evangelischen Superintendenten nach Wien. — Das Buch überhaupt dünkt uns der erste Schritt der slawischen Partei in Ungarn von der Defensive, auf welche sie sich bisher beschränkten, abzugehen und durch Aufstellung der Begriffe von Recht, Gerechtigkeit, Völker- und Staatswohl auch dem Gesammtvaterlande und allen den verschiedenen Nationen nützlich zu werden: Mögen sie recht kräftig auf dieser Bahn fortschreiten und theils durch einzelne Schriften, vor Allem aber durch das öffentliche Organ ihrer slowakischen Zeitung, zu welcher sie seit Kurzem die Erlaubniss erhielten, darthun, dass sie sich nicht blos zu vertheidigen, sondern entsprechend dem Bildungsgrade, den sie erreicht, auch die anderen Nationen anzuführen im Stande sind, bei dem Bestreben des Vaterlandes innere Ruhe und Wohlfahrt zu begründen.

 Ueber die ungarische Akademie, vom Gr. St. von Széchenyi. 1842. Uebersetzt von Sincerus. Lpzg. 1843, Köhler. VI und 71 S. Die vorliegende Rede machte sogleich bei ihrem Vortrage ein ausserordentliches Aufsehen, und zwar nicht so sehr dadurch, was sie über die ungarische Akademie enthält, als vielmehr durch das kräftige Auftreten gegen die ultramagyarische Partei. Zwei Grundgedanken sind es, welche der Redner festzuhalten strebte: Die ungarische Akademie ist eine rein philologische Gesellschaft, welche die Sprache, ihre Ausbildung und Vervollkommnung einzig und allein zum Ziele haben soll; zweitens, dadurch werde sie der Nationalsache am meisten nützen, welche nicht von der Magyarisirung (besonders der gewaltsamen) Gewinn sich versprechen solle; denn nur dadurch, dass die Magyaren sich an die Spitze der geistigen Bewegung in der Wissenschaft stellen, durch geistige Ueberlegenheit könne ihre Nationalität herrschend werden in Ungarn. In Folge dieser Grundsätze sagt der Redner voraus, es werden Zeiten kommen, wo die magyarische Gesellschaft einen Theil ihrer Mitglieder ausstossen, dafür aber andere Männer in sich aufnehmen werde, welche gegenwärtig noch ungekannt in ihrer verborgenen Studirstube an dem Wohle des Vaterlandes arbeiten. Nicht die rohe Gewalt sei es, noch das Gesetz, durch deren Anwendung oder dessen Interpretation das magyarische Element geltend gemacht werden könne. Beides widerspreche dem Geiste des neunzehnten Jahrhunderts, und darum könne er jene Partei nicht anders als verachten, welche jede andere Nationatität in Ungarn mit den Füssen tritt, welche in öffentlichen Versammlungen und in Journalen die anderen Völkerschaften mit Koth bewirft und dieselben Gefühle für nationale Sprache und Sitte, welche sie an sich als das Erhabenste und Heiligste anpreist, bei jenen verhöhnt und als sündhaft, als Vaterlandsmord und Verrätherei ausschreit. Auch uns dünken diese Grundsätze ehrenwerth und achtbar, auch uns hat der Muth, mit welchem der Graf gegen die in der öffentlichen Meinung und ihren Organen übermächtige Partei auftritt, eine Achtung für den Redner eingeflösst, welche jene weit übertrifft, die wir bis dahin hatten. Trotz dem können wir uns nicht verhehlen, dass wenn die Ansichten des Redners sich allgemeiner geltend machen, wenn sie von dem edlen Eifer, den der Graf im Herzen trägt, abweichend jener Partei in die Hände fallen, welche seit Langem fremd jedem Gefühle für Gerechtigkeit und Billigkeit ist, durch den leicht entstehenden Missbrauch den anderen Nationalitäten in der That gefährlich werden können, intensiver und nachhaltender gefährlich, als alle die gewaltsamen Massregeln, welche nicht anders

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/372&oldid=- (Version vom 14.2.2021)