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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

und zuletzt wird ein Versprechen ertheilt, das sich dem dargebrachten Opfer gleichstellt. Also für die Weissagung der Wunsch, für das Gebet die Ermahnung und für das Opfer das Versprechen. Etwas Aehnliches, wie das hier Angeführte, findet sich bei den alten Preussen. Allein bevor ich es anführe, bin ich genöthigt, Einiges vorauszuschicken. Obschon nämlich ganz unstreitig ist, was Schafarik (Schafarik slawisch. Alterthüm., deutsch von Mosig v. Aehrenfeld und Wutke. Leipz. Engelmann 1843. I, 33) sagt: „Die allgemein bekannte Verwandtschaft des litthauischen und slawischen Stammes ist so augenscheinlich, dass manche Forscher in ihnen nur ein Volk erkennen. Wir halten sie für Ausläufer derselben Wurzel und lassen ihnen nur der besseren Unterscheidung willen ihre eigenthümlichen Namen;“ so ist nicht minder richtig, wenn er bei aller Anerkennung der näheren Verwandtschaft zwischen Slawen und Litthauern (zu denen er die alten Preussen rechnet) in Sprache, Charakter und Sitten, als zwischen Slawen und den übrigen indo-europäischen Völkern, doch ausspricht (Schafarik slaw. Alterthüm., deutsch v. Aehrenfeld u. Wutke, I, 447, 448): „wir halten die litthauischen und slawischen Völker für Abtheilungen eines in vorhistorischer Zeit einigen Stammes, der in historischer Zeit in Folge innerer Umstände bereits dermassen zerfallen ist, dass man ihn in zwei verschiedene, wie wohl immer noch unter den indo-europäischen Völkern am nächsten verwandte Stämme scheiden muss.“ Da nun Schafarik überdies zeigt, dass der litthauische Stamm frühzeitig in seiner reinen, eigenthümlichen Entwickelung gehemmt worden ist, so liegt auf der Hand, wie man das Uebereinstimmende in beiden Völkerstämmen allein zur Erklärung der bei dem einen oder dem anderen vorkommenden Nationaleinrichtungen benutzen kann. Man wird vorkommenden Falls Slawisches natürlicher Weise immer zuerst am liebsten mit gleichartigem Litthauischen und Altpreussischen zusammenstellen, allein wird nie vergessen dürfen, dass bereits in vorhistorischer Zeit eine starke, gewiss sehr selten nachweisbare Vermischung der Litthauer mit Gothen und Tschuden stattgefunden hatte, und dass dieser Umstand unstreitig bei dem Volke auf die gesammte Anschauung aller Dinge einen gewichtigen Einfluss geübt hat. Es wird also auch in Bezug auf Mythologie nicht wohl angehen, Altpreussisches und Slawisches als vollkommen eins zu setzen und etwa aus überkommenen Nachrichten speciellerer Art im preussischen Kultus Dunkelheiten oder Unbestimmtheiten in denen über slawischen Götterkultus erklären zu wollen, oder zu behaupten, slawischer und preussisch-litthauischer Mythus sei ganz ein und derselbe, sei deshalb nicht trennbar, sondern müsse so zusammen behandelt werden, dass man aus dem einen das im anderen Fehlende oder nicht Klare zu übertragen habe, wie das bisher meistentheils geschehen, und wodurch unsagbare Verwirrung hervorgebracht worden ist. Dazu kommt noch die Beschaffenheit der Quellen, aus denen wir für litthauisch-preussische Mythologie schöpfen könnten. Die älteren, wie Petrus de Dusburg, bieten, wenn auch Zuverlässiges, doch Weniges und sehr allgemeiner Natur; die späteren aber, welche uns die grössten Einzelheiten bringen, sind meistentheils, wie Grunow in seiner Chronik und der auch sonst bekannte literarische Betrüger Erasmus Stella, äusserst verdächtig und harren noch der schärfsten Kritik. Erregt doch selbst eine der ältesten Quellen durch ihre Fassung nicht ganz ungegründetes Misstrauen, das bekannte, in der Ausgabe des Dusburg von Hartknoch abgedruckte privilegium Pruthenis a legato pontificio anno 1249 d. VII. Id. Febr. concessum, wie viel mehr die Ueberlieferungen Grunow’s und Stella’s. Es ist zwar wahr, die Ueberreste des altpreussischen Heidenthums lebten bis ins 17. Jahrhundert herab noch kräftig im Volke, und wenn ein guter Beobachter treu, wahr und einfach das selbst Erlebte niederschrieb und uns aufbewahrte, so ist das gar wohl zu beachten; allein ebenso sehr muss man im Auge behalten, welche Herabdrückung, welche Umwandlung durch namentlich christliche Einflüsse dieser Glaube erlitten hat. Solch ein schlichter Beobachter war Joannes Meletius. Er gab

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/399&oldid=- (Version vom 14.2.2021)