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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

verhüllten sacellum die Rede, durch welches die Gottheit, noch im Tempel selbst dem Anblicke des Eintretenden sei entzogen worden, und zweitens ist in dem grössten Theile der Nachrichten, die uns von Tempeln des Festlandes aufbewahrt sind, der Umstand merkwürdig, dass vom Vorhandensein mehrerer Götterbilder in einem Tempel gesprochen wird. Ich werde später, wenn ich von den Göttern und deren Bildern handeln werde, auf diese wichtigen, bedeutungsvollen Punkte zurückkommen, während ich sie hier nur erwähne, um nachzuweisen, dass die innere Tempeleinrichtung aus diesem Grunde von der durch Saxo beschriebenen etwas abweichen musste. Am ausführlichsten beschreibt Thietmar die innerliche Beschaffenheit solch eines Tempels Chron. VI, 17, Perz V, 812, 7, wo er vom Tempel des Zuarasici spricht: Interius autem dii stant manu facti singulis nominibus insculptis, galeis atque loricis terribiliter vestiti, quorum primus Zuarasici dicitur et prae caeteris a cunctis gentilibus honoratur et colitur. Wahrscheinlich standen also die einzelnen Götterbilder an den Wänden rings umher, und die Hauptgottheit in deren Mitte, mit ihren Attributen besonders ausgezeichnet. Diese Vermuthung wird durch die Stelle des Adam v. Bremen über den Tempel des Radegast bestätigt, hist. eccles. II, c. 11, vel 65, Lindenbrog 11, pag. 23, woselbst von Rethra gesagt wird: templum ibi constructum est daemonibus magnum, quorum princeps Redigast. Simulacrum eius auro, lectus ostro paratus. Auch hier ist von einem Tempel die Rede, in welchem mehrere Gottheiten vereinigt sind, deren eine genannt und als Hauptgottheit hervorgehoben wird. Von dieser wird gesagt, ihr Bett oder Kissen sei aus purpurfarbigem Stoffe gemacht gewesen. Diese besondere Auszeichnung scheint mir darzuthun, dass die übrigen im Tempel aufgestellten Götterbilder ohne Attribute, an weniger auffälliger Stelle und auf beschränkterem Platze standen, aber auch, dass kein sacellum in der Art, wie zu Arkona und Karenz, vorhanden war. In einem Punkte endlich stimmen alle Beschreibungen von Tempeln überein, dass nämlich zu allen nur ein einziger Zugang führte, und Adam von Bremen und Thietmar fügen hinzu, dass dieser Eingang nicht leicht und nur Opfernden oder Orakelbegehrenden geöffnet wurde. Dieser Eingang endlich war mit hölzernen Thüren verwahrt, wie mehrere Stellen gleichzeitiger Schriftsteller darthun. So Sefridi vita Ottonis II, 4, 105, Acta St. Antw. Jul. I, 403, woselbst die Rede Otto’s an die Stettiner mitgetheilt wird, in welcher der Bischof sie aufmuntert, ihm bei Zerstörung der Götzentempel behülflich zu sein. Hier heisst es: Sed pace vestra sit, ut ego ipse cum fratribus meis sacerdotibus et clericis continas aggrediar: si nos crucis sanctae signaculo praemunitos illaesos permanere videritis, eodem crucis munite trophaeo vos omnes nobiscum in securi et ascia, excisis ianuis et parietibus deiicite illas et incendite. Ferner Ebbonis vita Ottonis III, 1, 80, Acta St. Antw. Jul. I, 447, wo der Rettung des Priesters Theodorich gedacht wird: clericus autem Ditricus nomine, qui iam praecedens eos, portas delubri ipsius appropinquarat, nesciens quo diverteret, fanum ipsum irrupit. Hier ist das irrumpere gewiss nicht ohne Beziehung gesetzt, er erbrach die Thüren. Auch Saxo hist. dan. lib. XIV, ed. Steph. 320, meldet Aehnliches vom Tempel zu Arkona, als er die Weise beschreibt, wie der Priester den Tempel reinigt: quo quoties capessendo vel emittendo (halitu) opus habebat, toties ad ianuam procurrebat.

 Man benutzte die Tempel in sehr verschiedener, allein stets mit ihrer Heiligkeit in Bezug stehender Weise. Einmal galt der Tempel für ein Asyl und wer sich in seinem Umkreise befand, konnte auch seinen Feinden gegenüber sicher sein, wie Helmold Chron. I, 52 bezeugt: mira autem reverentia circa fani diligentiam affecti sunt, nam neque iuramentum facile indulgent, neque ambitum fani vel in hostibus temerari patiuntur, und nächstdem dass dort gebetet, geopfert und geweissagt wurde, waren sie auch die Aufbewahrungsorte der heiligen Geräthschaften, der Fahnen und des Tempelschatzes, so wie der gemachten Beute.

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/413&oldid=- (Version vom 14.2.2021)