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schrieb ihm damals der Decan der Facultät, „weist auf die Gründe hin, aus welchen gerade wir, vor anderen Facultäten, befugt und berufen zu sein glaubten, allgemein anerkannte Verdienste um die deutsche Reformationsgeschichte durch die höchste akademische Würde zu ehren. Die Mitglieder der Facultät legten besonderen Werth darauf, dass wir den Mann, dem das Wittenberg des sechzehnten Jahrhunderts mehr als irgend einem anderen Zeitgenossen zur wohlbekannten geistigen Heimat geworden ist, als Doctor theologiae den Unseren nennen dürften.“ Der wissenschaftliche Werth dieser umfangreichen Publikation, durch welche in so willkommener Weise das Dunkel aufgehellt ward, welches vorher die Zeit zwischen Luthers sogenannten Initia und seinen ersten Predigten umhüllt hatte, ist gebührend anerkannt worden; jedoch wenige waren damals im Stande, als das Werk erschien, wenige werden künftig im Stande sein, an der Leistung des Herausgebers auch das persönliche Verdienst im Hinblick einerseits auf dessen vorgeschrittenes Lebensalter, andererseits auf die Beschaffenheit der Originalhandschrift, welche ihm vorlag, mit voller Gerechtigkeit zu würdigen.

     Allein auch dann noch, als die Arbeit an diesem letzten Werke, welches er zur Vollendung brachte, gethan war, ruhte seine fleissige Hand nicht. Mit dem alten Eifer und mit Anspannung seiner letzten Kräfte beschäftigte er sich mit den Vorbereitungen zu einer auf den handschriftlichen Quellen beruhenden Ausgabe der echten unüberarbeiteten Tischreden Luthers, und auch diese Arbeit, welche sich an das oben angeführte Lauterbach’sche Tagebuch als eine wichtige Fortsetzung und Ergänzung angeschlossen haben würde, war, als ihn der Tod von seinem Tagewerke abrief, ihrem Abschlusse ganz nahe, so nahe, dass sie nun wohl ein anderer an seiner Stelle wird dem Drucke übergeben können.

     „Wirke gut, so wirkst Du länger, Als es Menschen sonst vermögen“: dieses Goethe’sche Wort gilt auch für seine verdienstvolle und erfolgreiche Wirksamkeit. Der Ausspruch eines angesehenen Theologen der Gegenwart wird, ich zweifele nicht, sich erfüllen: „So lange man Reformationsgeschichte treiben wird, wird man der gewissenhaften, exakten, wahrhaft gelehrten Studien gedenken, welche Seidemann dem Reformationszeitalter zugewendet hat“. Diejenigen aber, welche ihm im Leben nahe gestanden

Empfohlene Zitierweise:
Franz Schnorr von Carolsfeld: Zur Erinnerung an Johann Karl Seidemann. Wilhelm Baensch Verlagshandlung, Dresden 1880, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Johann_Karl_Seidemann.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)