ihrer Erziehung in Rom, so noch weit mehr, seitdem sie nach Judäa zurückgekommen waren, zumal mit ihrer leiblichen Entwicklung auch diese ihre Seelenstimmung sich allmälig zu ihrer vollen Stärke herausgewachsen hatte. 446 Als dann gar erst die Zeit zum Heiraten für sie gekommen war, und der eine die Tochter seiner Tante Salome, welche bekanntlich die Anklägerin seiner Mutter gewesen war, der andere aber die Tochter des Königs Archelaus von Kappadocien zur Ehe genommen hatte, gewann ihr Hass nunmehr auch den Muth, sich unverholen auszusprechen. 447 Aber gerade diese ihre Kühnheit bot die bequemste Handhabe für ihre Verleumder, von denen manche bald immer ungescheuter im Gespräche mit dem Könige die Warnung einfließen ließen, dass er vor seinen zwei Söhnen nicht mehr recht sicher sei: ja, der Schwiegersohn des Archelaus, sagte man, treffe schon im Vertrauen auf seinen Schwiegervater Anstalten, um heimlich den Hof zu verlassen und bei dem Kaiser gegen Herodes klagend aufzutreten. Ganz eingenommen von diesen Verleumdungen, 448 verfügte endlich Herodes die Rückberufung seines Sohnes Antipater von der Doris, um in ihm gegen die anderen Söhne gleichsam eine Deckung zu finden, und begann diesen auch auf jede Weise vor den Kindern der Mariamne auszuzeichnen.
449 (2.) Dieser Umschwung der Dinge war den letzteren unerträglich, und sie vermochten bei ihrem heißen edlen Blute ihren Unmuth nicht mehr zu beherrschen, als sie sehen mussten, wie der Abkömmling einer Mutter aus nicht fürstlichem Geschlechte ihnen den Vorrang ablaufe: bei jedem für sie kränkenden Anlass machten sie denn auch ihrem Zorne Luft. 450 Während aber die Prinzen von Tag zu Tag sich immer mehr am Hofe verfeindeten, war Antipater seinerseits auch schon in vollster Thätigkeit, um seine Stellung immer mehr zu befestigen. Er ließ einerseits alle Künste spielen, um sich bei seinem Vater einzuschmeicheln, und heckte auf der anderen Seite die buntesten Verleumdungen gegen die Brüder aus, die er theils selbst an Mann brachte, zum Theil durch seine Anhänger in schlauer Weise ausstreuen ließ, bis er auf diese Weise den Brüdern auch den letzten Hoffnungsschimmer bezüglich der Königskrone geraubt hatte. 451 Denn sowohl nach dem Testament, wie auch vor der Oeffentlichkeit war Antipater bereits der Thronfolger: ward er ja doch schon mit dem Gepränge und dem sonstigen Staat eines Königs, das Diadem ausgenommen, von Herodes an den Hof des Cäsar geschickt! Mit der Zeit gelang es ihm ferner, seine Mutter an die Stelle der Mariamne in das königliche Beilager zurückzubringen, und mit den zwei Waffen, der Schmeichelei und Verleumdung, die er gegen die Brüder handhabte, bearbeitete er den König derart, dass er bald zur Hinrichtung der beiden Söhne geschritten wäre.
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/095&oldid=- (Version vom 11.2.2020)