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Juden dafür zur Verantwortung zu ziehen, oder, wenn sie ohnehin in der alten Treue verharrten, sie wenigstens darin noch, zu bestärken. Was Cestius angieng, so schien es ihm gerathen, zunächst einen seiner Freunde nach Judäa zu schicken, der ihn nach einem genauen Einblick in die Verhältnisse über die Gesinnung der Juden in zuverlässiger Weise unterrichten könnte. 335 So schickte er denn einen seiner Obersten, namens Neapolitanus, dahin ab. In der Nähe von Jamnia traf dieser mit dem von Alexandrien zurückkehrenden König Agrippa zusammen und theilte ihm Ausgangsort und Veranlassung seiner Sendung mit.

336 (2.) Hier stellten sich auch die jüdischen Hohenpriester und Vornehmen mit dem ganzen hohen Rathe ein, um den König zu bewillkommnen. Nach den ersten Höflichkeitsbezeigungen begannen sie aber bitter über ihre Leiden zu klagen und verbreiteten sich ausführlich über die Grausamkeit des Florus. 337 Obschon Agrippa selbst darüber innerlich empört war, so spielte er doch seinen Zorn aus kluger Berechnung auf jene hinüber, die er im Grunde bemitleidete, nämlich auf die Juden, weil es ihm darum zu thun war, ihre nationale Eingenommenheit herabzustimmen, und sie dadurch, dass er ihnen den Ruhm der verfolgten Unschuld nahm, von Rachegelüsten zurückzuhalten. 338 Da die Versammlung eine sehr gewählte war, und ihre Theilnehmer schon im Interesse ihres Besitzes den Frieden sehnlichst wünschen mussten, so würdigten sie verständnisinnig die wohlmeinenden Hiebe des Königs. Was das Volk anlangte, so zog es auf eine Entfernung von sechzig Stadien vor Jerusalem hinaus, dem Agrippa und Neapolitanus zur Begrüßung entgegen. 339 Vor dem Volke liefen die Frauen der Hingeschlachteten unter lautem Schluchzen einher, und auch das Volk selbst begann, gerührt von ihrem Jammer, sich in Klagen zu ergießen und Agrippa um seine Unterstützung anzuflehen; dem Neapolitanus aber schrie man vor, was man alles von Florus habe erdulden müssen, und wies ihn und Agrippa beim Betreten der Stadt mit Fingern auf den verwüsteten Markt und die in Schutt gesunkenen Häuser. 340 Hierauf drangen die Juden durch Vermittlung des Agrippa in den römischen Tribun, dass er, nur von einem einzigen Diener begleitet, die ganze Stadt bis zur Siloamschlucht abgehen möchte, damit er selbst sehen könne, wie folgsam die Juden gegen alle anderen Römer, und wie sie nur auf Florus wegen seiner maßlosen Grausamkeit gegen sie erbittert wären. Als sich nun Neapolitanus bei seinem Gange durch die Stadt aus eigener Erfahrung von der Gutmüthigkeit ihrer Bewohner hinlänglich überzeugt hatte, stieg er zum Tempel hinauf und rief dort das Volk zusammen. 341 In seiner Ansprache spendete er den Juden wegen ihrer Treue gegen die Römer hohes Lob und eiferte

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/191&oldid=- (Version vom 17.2.2020)