so war berichtet worden, dass auch Josephus bei der Erstürmung umgekommen sei, eine Kunde, die in ganz Jerusalem die größte Trauer hervorrief. 435 Während alle übrigen Gefallenen nur in den betreffenden Häusern und in der Verwandtschaft, der sie angehörten, betrauert wurden, 436 ward die Trauer um den Feldherrn zu einer Staatsfeier, und während dieser Todte von einem Gastfreunde, jener von einem Verwandten, ein dritter von einem Freunde, ein anderer wieder von einem Bruder beweint wurde, ward es Josephus von allen! 437 Unausgesetzt währte so das Weheklagen in der Stadt bis zum dreißigsten Tage, wobei sich die meisten durch gedungene Flötenspieler zu ihren Trauerliedern aufspielen ließen.
438 (6.) Als aber nach Ablauf einiger Zeit die Wahrheit in ihrem vollen Umfange ans Tageslicht kam, und mit den näheren Einzelnheiten des Dramas von Jotapata auch bekannt wurde, dass der Tod des Josephus nur ein leeres Gerücht gewesen, da er im Gegentheil sicherem Vernehmen nach noch am Leben und zwar im römischen Lager sei, wo er von Seite der Anführer eine bei Kriegsgefangenen sonst gar nicht übliche Aufmerksamkeit genieße, da fassten die Juden einen Zorn gegen den lebenden Josephus, der nicht geringer war, als das Wohlwollen, das sie früher dem vermeintlich todten Helden zugewendet hatten. 439 Die einen schimpften ihn eine feige Memme, die anderen einen Verräther: die ganze Stadt wiederhallte von Zornesausbrüchen und Schmähungen gegen Josephus. 440 Der schwere Schlag steigerte nur ihre Erbitterung, und die Misserfolge fachten die Glut ihres Ingrimmes nur noch stärker an. So wurde gerade der Schaden, der kluge Leute veranlasst, mehr auf ihre Sicherheit bedacht zu sein und sich vor neuen Unglücksfällen inacht zu nehmen, für die Juden ein Sporn, der sie in neues Elend trieb, so dass das Ende eines Uebels bei ihnen stets wieder die Wurzel eines anderen in sich schloss. 441 Auch nach diesem letzten Ereignis war ihre Kampfeswuth gegen die Römer noch gewachsen, da sie sich nunmehr in der Person der Römer auch an Josephus rächen wollten. 442 Das also war der große Sturm, der um diese Zeit die Geister in Jerusalem aufwühlte.
443 (7.) Jetzt wollte Vespasian auch einmal das Reich des Agrippa kennen lernen und wurde in diesem Vorhaben noch durch den König selbst bestärkt, der dabei die doppelte Absicht verfolgte, Heer und Heerführer auf den eigenen Gütern gastlich zu begrüßen, als auch mit deren Unterstützung die vom Aufruhr bereits angesteckten Elemente in seinem Reiche niederzuhalten. So brach er denn von Cäsarea am Meere auf und zog nach dem anderen Cäsarea hinüber, das den Beinamen Philippi führt. 444 Hier ließ er durch zwanzig Tage seine Soldaten sich
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/283&oldid=- (Version vom 20.2.2020)