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wie vor der Ankunft des Titus die Quelle Siloah und sämmtliche Quellen vor der Stadt ausgeblieben sind, so dass man sich das Wasser krugweise kaufen musste. Jetzt aber liefern sie den Feinden so viel Wasser, dass es nicht bloß für Menschen und Zugthiere, sondern selbst zur Bewässerung der Gärten reichlich genügt. 411 Dieses Gotteszeichen habt ihr übrigens schon früher einmal Gelegenheit gehabt, bei einer Eroberung Jerusalems wahrzunehmen: es war in dem Feldzuge des vorerwähnten babylonischen Königs, in welchem er auch eure Stadt erstürmte und sammt dem Tempel den Flammen preisgab, obwohl nach meiner Meinung die damaligen Einwohner keine so argen Bösewichter waren, wie ihr seid. 412 Es ist demnach auch meine persönliche Ueberzeugung, dass Gott aus seinem Heiligthum geflohen ist und in dem Lager jener steht, gegen die ihr eben streitet. 413 Wird ja doch schon ein ehrlicher Mensch ein liederliches Haus fliehen und für jene, die darinnen sind, nur Abscheu haben! Wie könnt ihr euch da noch einreden, dass Gott, der alles Verborgene schaut und alle Geheimnisse hört, noch länger unter euren Schandthaten verweilen werde? 414 Doch was sage ich? Gibt es denn bei euch überhaupt noch etwas, womit man geheim thut, und was man zu verbergen trachtet? Gibt es etwas, was nicht schon bei den Feinden sogar allgemein bekannt wäre? Ihr brüstet euch ja noch mit eurer Gesetzesverachtung, und euer täglicher Wetteifer geht nur dahin, wer denn noch schlechter werden könnte, wobei ihr noch mit euren Schurkereien herumstolzieret, als wäre alles nur eitel Tugend! 415 Aber dessenungeachtet bleibt euch noch ein Weg zur Rettung, wenn ihr ihn nur benützen wollt: die Gottheit ist ja so schnell bereit, sich mit denen, die ihre Schuld bekennen und bereuen, wieder auszusöhnen. 416 O ihr Männer mit dem eisernen Panzer und dem eisernen Herzen, schleudert doch von euch eure Rüstung, ziehet an dafür das Erbarmen für eure schon in Trümmer sinkende Vaterstadt! Kehret euch um und schauet, was für eine Schönheit, was für eine Wunderstadt, was für ein Heiligthum, was für Weihgeschenke unzähliger Nationen ihr dem Verderben überliefert! 417 Wer vermöchte es, die Flammen über diese Herrlichkeiten heraufzubeschwören? Wer möchte diese Pracht wohl vernichtet sehen? Was soll man denn überhaupt noch retten, wenn man das nicht rettet? O ihr Verstockte, gefühlloser als Stein! 418 Sollte für das alles euer Auge schon zu stumpf geworden sein, so habt doch wenigstens Mitleid mit euren Familien und stellt euch jeder das Elend eurer Kinder, eurer Frauen und Eltern vor Augen, welche entweder der Hunger oder das Schwert in kurzer Zeit verzehren wird. 419 Auch ich weiß mir eine Mutter, ein Weib, ein nicht ruhmloses

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 418. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/418&oldid=- (Version vom 1.8.2018)