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sein Hauptquartier, von wo er auch ausgegangen war. 508 Der ganzen Mauerlänge fehlte zu vierzig Stadien nur ein einziges Stadium. An ihre Außenseite wurden noch dreizehn Castelle angebaut, deren gesammter Umfang allein wieder die Zahl von zehn Stadien ergab. 509 Und diese ganze Mauer ward innerhalb dreier Tage gebaut, eine Schnelligkeit, die bei dem Umstand, dass auch ihre Güte einer Arbeit von Monaten gleichkam, geradezu fabelhaft erscheint. 510 Sobald die Umwallung der Stadt vollendet war, und die Castelle vom römischen Militär besetzt waren, übernahm Titus persönlich die erste Nachtwache, um auf seinem Rundgange von der Mauer herab die Stadt zu beobachten, die zweite hatte Alexander zu nehmen, während um die dritte die Legaten losen mussten. 511 Außerdem musste auch die Besatzung der Castelle ihre Ruhestunden durch das Los vertheilen und schritt während der ganzen Nacht von Thurm zu Thurm ihre betreffende Runde ab.

512 (3.) Mit der Absperrung aller Auswege war den Juden auch jede Hoffnung auf Rettung abgeschnitten, und die immer tiefer greifende Hungersnoth frass jetzt ganze Häuser und Familien weg. 513 Voll waren die Dächer von Frauen und kleinen Kindern, die der Auflösung entgegengiengen, voll die Straßen von verschmachteten Greisen. Gleich blutlosen Schatten drängten sich Knaben und Jünglinge, bis zur Unförmlichkeit aufgedunsen, auf den Plätzen zusammen und sanken zu Boden, wo einen jeden eben sein letztes Schicksal traf. 514 Einen Verstorbenen zu begraben, waren die Verwandten oft nicht mehr imstande vor Erschöpfung, und jene, die noch dazu die Kraft gehabt hätten, zauderten wegen der Menge von Leichen und beim Gedanken an die Unsicherheit der eigenen Kraft. Denn oft geschah es, dass diese Todtengräber noch auf dem frischen Grabe selbst sterbend zusammenbrachen. Viele wankten, noch ehe das Verhängnis an sie herantrat, zu ihrem eigenen Grabe. 515 Keine Todtenklage, kein Jammerlaut erhob sich bei diesen Trauerscenen, da der Hunger alle anderen Regungen niederhielt. Vertrockneten Auges und mit grinsend verzogenem Munde starrten sie, die selbst fast mit dem Tode schon rangen, auf die anderen, die ihnen zur ewigen Ruhe vorausgegangen. Tiefes Schweigen umfieng die Stadt, immer dichter umzogen sie die schwarzen Schatten des Todes. Aber noch grauenhafter war das Wüthen der Banditen, 516 die sogar als Leichenräuber in die Häuser eindrangen, die Todten ausplünderten und, nachdem sie ihnen selbst die Hüllen heruntergerissen, unter rohem Gelächter sich wieder entfernten. An den Leichnamen probierten sie auch die Schneide ihrer Schwerter, ja einigen Opfern des Hungers schnitten sie sogar noch ins lebendige Fleisch,

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 430. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/430&oldid=- (Version vom 1.8.2018)