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Erstes Capitel.
Vollendung der Dämme. Neuer, missglückter Ausfall der Juden. Einsturz der Burgmauer. Titus muntert zur Besteigung der Bresche auf. Des Sabinus Heldenmuth und Unglück. Nächtliche Erstürmung der Antonia. Kampf um den Tempel. Tapferkeit des Julianus und sein tragischer Tod.

1 (1.) Die Bedrängnis Jerusalems stieg von Tag zu Tag auf eine immer furchtbarere Höhe, da einerseits die Rebellenbande bei der Zunahme des Elendes immer wüthender ward, und andererseits die Hungersnoth ihre verheerende Wirkung, die bis jetzt nur das Volk verspürt hatte, auch unter den Aufrührern zu zeigen begann. 2 War doch die Masse der in der Stadt aufgeschichteten Leichen geradezu schauderhaft anzusehen, und der Geruch, den sie ausströmten, schon die leidige Pest. Sogar bei den Ausfällen der Vertheidiger bildeten sie bereits ein ernstliches Hemmnis, da dieselben gezwungen waren, auf den todten Leibern herumzutreten und über sie hinzustürmen, wie die rauhen Krieger im Schlachtengewühl auf tausenden von Leichen herumstampfen müssen. 3 Doch die Juden stiegen mit einer wahren Lust auf die Leichen, sie kannten dabei weder Schauder noch Erbarmen, noch sahen sie in diesem Frevel gegen die Todten eine böse Vorbedeutung für ihren eigenen Tod; 4 im Gegentheil, noch warm vom Blute ihrer Stammesbrüder, in das sie eben ihre Hand getaucht, stürzten sie zum Kampf gegen die Heiden hinaus, als wollten sie damit, wie es auf mich wenigstens den Eindruck machte, die Gottheit mit aller Gewalt zur schnelleren Rache gegen sich herausfordern. Schon längst beruhte ja ihre Kühnheit im Kampfe nicht mehr auf der Hoffnung zu siegen, sondern allein auf der Verzweiflung an ihrer Rettung. 5 Die Römer hatten unterdessen, wenn auch unter riesigen Beschwerden, die ihnen das Herbeischleppen des Holzes bereitete, die Dämme in 21 Tagen ausgebaut, nachdem sie freilich, wie oben schon gesagt worden, die ganze Umgebung der Stadt aus neunzig Stadien in der Runde rasiert hatten. 6 Das Land bot denn auch einen Anblick zum Erbarmen. Denn die vordem von Baumgruppen und Ziergärten so reich belebte Gegend war jetzt eine vollständige Wüste und ringsum abgeholzt. 7 Wohl kein einziger Ausländer, der noch das alte Judäa und die wunderschönen Vorgärten der Stadt geschaut, konnte jetzt diese Oede

Empfohlene Zitierweise:
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/441&oldid=- (Version vom 1.8.2018)