heftigen Widerstandes der Juden gegen eine Berennung der Antonia in der Schwäche der Mauer suchten und die Hoffnung hegten, dass die Grundmauern schon mürbe seien. 26 Indes rührte sich an der getroffenen Stelle gar nichts. Aber trotz des fortwährenden Geschossregens hielten auch die Römer allen Gefahren des Mauerkampfes muthig Stand und ließen in einemfort ihre Widder spielen. 27 Da aber die Zahl der dabei beschäftigten Leute immer nur eine ziemlich geringe sein konnte, und von allen Seiten die Felstrümmer um sie hersausten, so suchten andere Soldaten unter einem über den Köpfen gebildeten Schilddache mit Händen und Brechstangen die Fundamente zu untergraben, und es gelang ihnen wirklich, vier Steine durch ihre Ausdauer loszureißen. 28 Die Nacht schaffte auf beiden Seiten Ruhe, und gerade während dieser Nacht stürzte plötzlich die von den Widdern schon erschütterte Mauer an jenem Punkte in Trümmer, wo Johannes bei seinem Anschlag auf die früheren Dämme den unterirdischen Gang gegraben hatte, welcher Gang jetzt unter der Last der Mauer eingebrochen war.
29 (4.) Dieser Zwischenfall machte auf die Kämpfer beiderseits einen entgegengesetzten und von niemand erwarteten Eindruck. 30 Während man nämlich von den Juden vorausgesetzt hätte, dass der ganz unvorhergesehene Einsturz sie hätte entmuthigen und unvorbereitet treffen müssen, gebärdeten sie sich merkwürdigerweise gerade so keck, wie wenn die Antonia noch unversehrt dastünde. 31 Auf Seite der Römer aber wurde die Freude über den unverhofften Zusammenbruch der Burgmauer schnell wieder gedämpft durch das Erscheinen einer anderen Mauer, 32 welche da die Krieger des Johannes innerhalb der ersteren und ihr gerade gegenüber aufgeführt hatten. Allerdings war ein Angriff auf die letztere offenbar nicht mehr so schwierig, wie auf die frühere Mauer, da schon der Aufstieg zu ihr durch den Mauerschutt der Bresche leichter gemacht schien. Ferner musste auch diese Mauer nach der Annahme der Römer viel schwächer sein, als die der Antonia, und konnte, weil eben nur eine Nothmauer, keinen langen Widerstand leisten. Aber niemand wagte den Aufstieg, weil den ersten, die es gewagt hätten, der augenscheinliche Tod bevorstand.
33 (5.) Da nun Titus der Ueberzeugung war, dass die Begeisterung des Soldaten am allermeisten durch eine lockende Aussicht und ein feuriges Wort entstammt würde, und dass Aufmunterungen, wie Versprechungen häufig der Gefahren vergessen lassen, ja manchmal sogar eine wahre Todesverachtung erzeugen, so ließ er die wackersten Römer zusammenkommen, um ihre Entschlossenheit auszuhorchen, und begann folgendermaßen: 34 „Waffenbrüder! Eine Aufforderung zu ganz
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/444&oldid=- (Version vom 1.8.2018)