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gebrochen habt, so dürfte der Feind, auch wenn ihn nur eine kleine Zahl von euch überrumpelt hat, weiter keine Gegenwehr mehr leisten. 53 Ich aber würde mich schämen, wenn der erste, der die Mauer ersteigt, von mir nicht in einer Weise entlohnt würde, die ihn zu einem beneidenswerten Manne machen muss. Kommt er mit dem Leben davon, so wird er den Befehl über seine jetzigen Kameraden erhalten. Wer aber fällt, den wird ein seliger Ehrenpreis noch ins Grab hineinbegleiten“.

54 (6.) Ungeachtet dieser herrlichen Ausführungen wollte die Furcht vor der großen Gefahr bei der Zuhörermenge nicht schwinden. Nur ein Krieger aus den Cohorten, namens Sabinus, ein gebürtiger Syrer, entpuppte sich bei dieser Gelegenheit als ein überaus handfester und entschlossener Mann, 55 obschon ein oberflächlicher Beobachter ihn, nach seiner leiblichen Erscheinung wenigstens, nicht einmal für einen brauchbaren Soldaten gehalten haben würde. Er hatte eine fahle Hautfarbe, schmächtigen Körperbau, an dem das Fleisch wie eingeschrumpft war; aber in dem hagern und für die wirkliche Kraft viel zu engen Gehäuse des Leibes wohnte die Seele eines Helden. Er war es also, der zuerst sich erhob und sprach: 56 „Ich bin gerne bereit, Cäsar, mein Leben dir zu weihen. 57 Ich will der erste die Mauer ersteigen und habe nur den Wunsch, dass meinem Arm und meinem Entschluss auch dein Glück, o Cäsar, folgen möchte. Sollte mir aber das Geschick die Erreichung meines Zieles missgönnen, so wisse, dass es mich nicht unerwartet zerschmettert, sondern dass ich selbst mit voller Ueberlegung für dich den Tod gesucht habe“. 58 Sprachs und hob mit der Linken seinen Schild schützend über den Kopf empor, riss mit der Rechten das Schwert aus der Scheide und wandte sich sofort gegen die Mauer. Es war so ziemlich um die sechste Stunde. 59 Auch von den Uebrigen schlossen sich ihm einige, allerdings nur elf, Soldaten an, die seiner Tapferkeit nacheifern wollten. Doch war ihnen der Mann, der wie ein Kriegsgott einherstürmte, allen weit voran. 60 Die feindlichen Posten empfiengen sie mit Wurfspeeren, die sie ihnen von der Mauer aus entgegenschleuderten, und bedeckten sie von allen Seiten mit einer Wolke von Pfeilen, ja wälzten sogar riesige Felsblöcke auf die elf Stürmenden herab, von denen einige dadurch auch wirklich weggerissen wurden. 61 Sabinus aber drang, von Geschossen umschwirrt, immer weiter und mäßigte, wenn auch fast verschüttet von einem Wald von Pfeilen, nicht eher seinen Ungestüm, als bis er auf der Zinne angelangt war und die Feinde zurückgejagt hatte. 62 Denn ein großer Schrecken hatte die Juden ob solcher Streiche und solcher Kühnheit ergriffen und sie zum Weichen

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/447&oldid=- (Version vom 1.8.2018)