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hand nahm, so gieng er mit seinem Stabe in das Innere, um sich den heiligen Raum des Tempelhauses und seine Einrichtung näher anzusehen. Was er nun hier sah, übertraf bei weitem die Sage, die davon bei den Heiden gieng, und blieb auch nicht hinter dem zurück, was die Juden selbst davon Aufsehens und Rühmens machten. 261 Daraus, dass die Flammen im Innern noch nirgends durchgebrannt hatten, sondern nur in den ringsum liegenden Gemächern wütheten, glaubte Titus schließen zu müssen, es könnte am Ende doch das Bauwerk gerettet werden, was in der That damals noch möglich gewesen wäre. 262 Er eilte darum ins Freie und bemühte sich wiederholt, durch persönliche Zusprache die Soldaten zum Löschen des Feuers zu bringen, während er dem Centurio seiner Gardelanzenträger Liberalis die Weisung gab, die Brandleger mit Knüttelhieben zurückzutreiben. 263 Doch die Scheu vor dem Cäsar und die Furcht vor der Züchtigung ward überwogen von der Erbitterung und dem Hass gegen die Juden, wie auch von der einmal entfesselten überaus wilden Kriegsfurie. 264 Die meisten jedoch lockte die Aussicht auf Beute, weil sie der Meinung waren, dass drinnen alles voll von Schätzen sein müsse, zumal sie die ganze Außenseite ringsherum von Gold strahlen sahen. 265 Bereits waren von diesen Soldaten einige in das Innere des Tempels vorgedrungen, und einer davon benützte die Abwesenheit des Titus, der hinausgeeilt war, die Soldaten zu zügeln, um rasch hinter der Thüre an deren Angeln Feuer anzulegen. 266 Als nun auf einmal auch von innen eine Flamme aufzuleuchten beginnt, müssen sich die Generäle mit Titus zurückziehen, und man lässt jetzt die Soldaten draußen ungestört das Zerstörungswerk durch Feuer vollenden. So ward der Tempel gegen den Willen des Titus eine Beute der Flammen.

267 (8.) Gewiss muss der Untergang eines Werkes ungemein schmerzlich berühren, das in Anbetracht seiner kunstvollen Arbeit, wie ungeheuren Größe, dann auch der Kostbarkeit aller seiner Details und des Ruhmes seiner Heiligkeit zu dem Wunderbarsten gehörte, was wir aus eigener Anschauung oder bloß vom Hörensagen kennen. Indes empfängt dieser Schmerz auch einen ungemein großen Trost aus der Erwägung, dass dem Verhängnis, so wenig wie alles Lebendige, auch nicht die Gebilde und die Stätten der Menschen entrinnen können. 268 Geradezu staunenswert ist aber die Genauigkeit, mit der dabei der Umlauf der Zeiten beobachtet worden ist, da das Verhängnis nach dem Gesagten sowohl denselben Monat, wie auch denselben Tag, an welchem der Tempel früher von den Babyloniern angezündet worden ist, eingehalten hat. 269 Von der Erbauung des ersten Tempels, dessen Grund der König Salomon gelegt, bis zum Untergang des jetzigen,

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/470&oldid=- (Version vom 1.8.2018)