374 (1.) Da man der Oberstadt wegen ihres ringsum steil abfallenden Gehänges ohne Wälle unmöglich beikommen konnte, so theilte Titus seine Streitmacht und nahm am zwanzigsten des Monates Lous wieder die Dammarbeiten in Angriff. 375 Ein schweres Stück Arbeit war besonders das Herbeischleppen des Holzes, indem, wie ich schon gesagt habe, die ganze Gegend um die Stadt in einem Umkreis von hundert Stadien für den Bau der früheren Dämme abgestockt worden war. 376 Die vier Legionen bauten ihre Schanzwerke auf der Abendseite der Oberstadt, gegenüber dem Königshof, 377 die Hilfstruppen aber und die übrige Heeresmasse begannen in der Gegend des Xystus, der dortigen Brücke und des Simonthurmes, den sich Simon als Vorwerk in seinem Kampfe mit Johannes errichtet hatte, mit der Aufschüttung ihrer Dämme.
378 (2.) In diesen Tagen kamen die Anführer der Idumäer zu einer geheimen Berathung zusammen, deren Gegenstand die Uebergabe an die Römer bildete. Es ward beschlossen, fünf Abgesandte an Titus zu schicken, um sich seiner Gnade zu empfehlen. 379 Da Titus die Hoffnung hegte, es würden durch die Lostrennung der Idumäer, die im Kampfe schwer in die Wagschale fielen, auch die Tyrannen zum Nachgeben genöthigt werden, so bewilligte er ihnen, wenn auch erst auf längeres Bitten, schließlich doch wenigstens den verlangten Pardon und entließ die Männer. 380 Wie sich nun die Idumäer zum Abzuge rüsten wollten, kam es Simon zu Ohren, der auf der Stelle die fünf Männer, welche die Gesandtschaft an Titus übernommen hatten, hinrichten ließ. Die Führer, darunter den berühmten Jakobus, Sohn des Sosa, befahl er zu verhaften und in den Kerker zu werfen, 381 während er das gemeine idumäische Kriegsvolk, das infolge der Aufhebung seiner Anführer zunächst ganz rathlos war, nicht aus dem Auge ließ und auch die Mauer nur mit ganz verlässlichen Wachen besetzte. 382 Trotzdem waren die Posten ganz ohnmächtig gegenüber der Flut von Ueberläufern, die sie aufhalten sollten: so viele auch von ihnen niedergestreckt wurden, so waren es immer noch weit mehr, die ihnen entschlüpfen konnten. 383 Alles fand jetzt bei den Römern Aufnahme, theils weil Titus selbst sich in seiner Herzensgüte über die früher von ihm erlassenen scharfen Verordnungen hinwegsetzte, theils weil die Soldaten, angeekelt von dem vielen Blutvergießen, von nun an schonender vorgiengen, zumal sie auch für ihren Beutel dabei etwas herauszuschlagen hofften. 384 Die
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 483. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/483&oldid=- (Version vom 1.8.2018)