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in den unterirdischen Gängen verschwanden. 393 Immerhin blieb noch eine starke Zahl von Vertheidigern auf ihren verschiedenen Posten und suchte die Annäherung der Sturmböcke zu verhindern. Doch brach sich ihr Widerstand an der Uebermacht und Stärke, ganz besonders aber an der Siegeszuversicht der Römer, der sie jetzt nur Entmuthigung und Abspannung entgegenstellen konnten. 394 Als nun erst gar ein Stück von der Mauer einstürzte, und schon einige Thürme unter den Widderschlägen erzitterten, da ließen sich die Vertheidiger keinen Augenblick mehr halten, und selbst die Tyrannen überkam plötzlich ein Schrecken, der durch die wirkliche Gefahr sicher nicht in solchem Grade gerechtfertigt war. 395 Denn noch bevor ein Feind seinen Fuß auf die Mauer gesetzt hatte, waren sie schon starr vor Angst und dachten hin und her, wie sie ihm nur entrinnen könnten. Die vordem so aufgeblasenen Menschen, die sich noch aus ihren Schandthaten eine Ehre gemacht hatten, boten jetzt in ihrer Niedergeschlagenheit und schlotternden Angst ein so klägliches Schauspiel, dass einen selbst diese abgefeimten Bösewichter in ihrer jetzigen Verfassung hätten dauern können. 396 Zunächst hatten sie es auf eine Ueberrumplung der Umwallung abgesehen, deren Wachen sie zurückwerfen wollten, um dann durch eine Bresche zu entkommen. 397 Da sie aber nirgends mehr ihre alten getreuen Trabanten sahen, – diese waren in alle Winde zerstoben, wie es einem jeden die Angst eingab – und überdies einige in aller Eile schon den Einsturz der ganzen westlichen Mauer, andere auch schon den Feind im Innern meldeten, wieder andere wussten, dass er in der nächsten Nähe stehe und schon nach den Tyrannen suche, 398 und einige in den Trugbildern ihrer geängstigten Phantasie ihn sogar schon auf den Thürmen gesehen haben wollten, da fielen sie auf ihr Angesicht, um mit lautem Stöhnen ihren Wahnwitz zu beweinen, und waren eine Zeitlang ganz außerstande zu fliehen, nicht anders, als wären ihnen die Sehnen durchschnitten. 399 Da konnte man wieder einmal so recht den starken Arm Gottes über dem Haupte der Frevler, wie auch das Glück der römischen Waffen kennen lernen! Die Tyrannen beraubten sich ja selbst der sichersten Schutzwehr, indem sie aus eigenem Antriebe die Thürme verließen, wo sie keine Gewalt je, sondern nur der Hunger hätte bezwingen können. 400 Auf diese Weise bekamen die Römer, nachdem sie auf die Eroberung der schwächeren Mauern unsägliche Mühe hatten verwenden müssen, gerade jene Mauern, die sonst den stärksten Maschinen getrotzt hätten, durch einen glücklichen Zufall in ihre Gewalt. Es waren das die drei Thürme, von denen wir weiter oben eine Schilderung entworfen haben, und deren Stärke alle Belagerungsmaschinen zu Schanden gemacht haben würde.

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 485. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/485&oldid=- (Version vom 1.8.2018)